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622 Psychische Studien. XXL Jahrg. 12. Heft (Dezember 1894.)
leider nicht der Wahrheit. Schon im Jahre 1870 wurde
diese Ansicht von Dr. med. Ploss in Leipzig im „Zehnten
Jahresbericht des Vereins von Freunden der Erdkunde"
aufgestellt. Aus den sehr interessanten Ausführungen des
Herrn Dr. Ploss in dem Aufsatz: — „Das Männerkindbett
(Couvade), seine geographische Verbreitung und ethno-
graphischa Bedeutung" — sei Folgendes im Auszug hervorgehoben
: — „Auf Borneo unte* den wilden Land-
Dajaks . . . wird der Ehemann in der Kost auf Reis und
Salz gesetzt, damit (meint man) des Säuglings Leib
nicht unnatürlich anschwelle" (S. 37 des Berichtes)...
„Bei den Brasilianern fastet der Mann sechs Wochen nach
der Geburt des Kindes, in welcher Zeit er weder Vogel
noch Fisch werk geniesset, und zwar aus der Einbildung
, dass solches dem Kinde schädlich sei,
und dass dieses Kind alle natürlichen Mängel
der Thiere, wovon der Vater essen würde, an
sich nehmen möchte." (S. 41). — Interessanter noch
scheint die Thatsaehe, dass bei manchen Völkern die
Fastenzeit des Mannes schon während der Schwangerschaft
der Frau beginnt, und bis nach der Entbindung dauert.
Dies gilt von den alten Ynkas und Stämmen des
Amazonas - Gebietes. Die Caraiben glauben, dass der
Genuss gewisser Speisen dem Vater während der
Schwangerschaft der Frau zu verbieten sei, weil
das Kind dadurch gev/isse Schädlichkeiten
erfahre, u. s. w. Die Eingeborenen Brasiliens geben als
Grund der CoÄvade an, dass sie es thäten, um die
Kräfte wieder zu sammeln, die erschöpft würden,
so oft sie Väter würden. [Darf man dabei etwa an die
von Reichenbach s. „Psych. Stud." Februar-Heft 1894 S. 72
angeführte Od-Entwickelung denken? — Anmerk. des
Referenten.] Deshalb lege sich bei ihnen der Mann
nicht blos ins Bett, sondern man gebe ihnen auch leckere
Gerichte. — Die Grönländer glauben, dass Arbeit des
Mannes kurze Zeit vor Entbindung der Frau den Tod des
Kindes veranlassen könne; bei den schon erwähnten
Dajaks auf Borneo darf der Ehemann vor der Geburt des
Kindes mit keinem scharfen Instrumente arbeiten, kein Thier
tödten, keine Flinte abfeuern, damit keine üblen Wirkungen
auf das KLd hervorgebracht werden. Nach der Geburt
muss der Vater bei Reis und Salz fasten, damit der
Magen des Kindes keinen Schaden leide. Bei
anderen Völkern Südamerikas ist bei Erkrankungen
des Kindes strenge Diät für den Vater und die
Verwandten vorgeschrieben. — Dr. Ploss zieht aus
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