http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0013
Adelheim: Bericht der Frau Hofrath 0. A. Kolbasenko etc. 6
zu schliessen, muss es sich so verhalten." — „Und die
Haupthaare ?u — „Schwarz und lang", — beschrieb mein
Mann, betroffen von meiner Beschreibung der Gesichtszüge
des Todten. — „ Die Haare sind" — fuhr ich fort — „glatt
um das Haupt gelegt,.. ?" — „Ja, in Folge des Wassers."
— „Bartlos?" — fragte ich weiter, die Beschreibung des
Phantoms fortsetzend. — „Der Todte hat einen sehr spärlichen
Bartwuchs", — erwiderte mein Mann. Ich erinnerte
mich, am Phantom keinen Bart bemerkt haben zu können,
da das Kinn auf der Hand ruhte und in Folge dessen von
derselben verdeckt war. — „Wie ist er gekleidet?" — fragte
ich weiter, im Voraus di<* gegebene Antwort erwartend. —
„In einen grauen Anzug." — „Kurzer Rock und gesticktes
Hemd?" — „Ganz richtig", — bestätigte mein Mann, der
nicht begriff, wie ich all diese Einzelheiten des Unglücklichen,
den die Wellen ans Ufer gespült hatten, und den ich doch
nicht gesehen hatte, kennen konnte. ... — „Mein Gott!" —
rief ich aus, — „hier ist kein Zweifel möglich. Der Todte*
ist derselbe, der mir vor ungefähr fünf Tagen erschienen
ist." ... — Mein Mann stutzte: — „Ja", — sagte er, —
„nach meinem Dafürhalten war der Körper ungefähr fünf
Tage im Wasser gelegen." . . ♦
Wir waren beide aufs höchste erstaunt und ergriffen.
Wir fühlten Beide, dass hier von einer „Hallucination", von
einem „Spiel der Phantasie" kaum die Rede sein konnte.
Die genaue Beschreibung der gehabten Erscheinung stimmte
vollständig überein mit den äusseren Formen des Todten;
Gesichtsbildung, Körpergrösse, Kleidung, der merkwürdige
Umstand, dass nach dem Gutachten eines erfahrenen Arztes
der Leichnam circa fünf Tage im Wasser gelegen hatte, der
schmerzliche, flehende Blick des Phantoms, — all dies
bestärkte meinen Mann und mich in dem Verdachte, der
Unglückliche sei eines gewaltsamen Todes gestorben. Unter
dem Eindrucke, den unser Gespräch auf meinen Mann
gemacht hatte, begab er sich in die Anatomie; doch war
der Leichnam bereits zu stark in Verwesung übergegangen,
um die Todesursache genau feststellen zu können. Der
Kollege meines Mannes, der greise Dr. Z. ..., glaubte nicht
auf einen gewaltsamen Tod schliessen zu müssen, und es
entspann sich zwischen ihm und meinem Manne ein Wortwechsel
; doch schliesslich musste Dr. Z. .. den Gründen
meines Mannes weichen und wenigstens die Möglichkeit eines
gewaltsamen Todes zugeben.
Die geiichtlichen Nachforschungen, diese geheimnissvolle
Sache aufzuklären, blieben leider erfolglos. Nur die Idendität
des Todten konnte ermittelt werden. Man erfuhr, dass er
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0013