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26 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1895.)
vollkommnung vorantreibt, sich immer wieder der Einheit
zuwendete.
Aber auch nach Hübbe-Schleiden's tiefgehender Auffassung
beweist schon die Thatsache, dass sich jeder Mensch für
seine Handlungen verantwortlich fühlt, dass sein Wille
durch ihn selbst in seinem eigenen Gewordensein der
individualistischen Entwicklung begründet sein muss.
Denn da Alles, also auch jede einzelne Willensregung,
kausal bedingt sein muss, so kann nach ihm „freier Wille"
nichts anderes bedeuten als „bewusster Wille" hinsichtlich
der Motive. Die Individualität aber als „Einheit der
Kraft uud der Kausalität", resp. als seelischer Wesenskeim
der einzelnen als Persönlichkeiten zur Erscheinung
kommenden Individuen ist, eben weil sie den kosmischen
Entwickelungslauf in seinen verschiedenen Sphären der
Evolution (Herausentwickelung der abstracten Urkraft
zur individuellen Erscheinung) bis zur Involution (Wieder-
einkehr der concreten Erscheinung in ihre kosmische Ursache,
— den unendlichen Lichtäther = Gott?) durchmacht und,
wenn es gestattet ist, eine kühne eigene Vermuthung hier
auszusprechen, in ihrer Erscheinung als in der Astralweit
fortlebende Seele wohl nichts anderes als individuali-
sirter (siunlich unter normalen Verhältnissen nicht wahrnehmbarer
) Weltäther (also feinste, vielleicht mit dem von
Reichenbach so genannten Od identische Weltsubstanz) sein
dürfte, unvergänglich, wobei jedoch nur die erworbenen
Anlagen und Fähigkeiten, nicht das durch Cerebration
bedingte, helle Bewusstsein auf ein neues Leben übergehen
würden (vergl. Hübbe-Schleiden 1. &)•
Dass der Einwurf der mangelnden Erinnerung gegen
eine Präexistenz als solche durchaus nicht in die Wagschale
fallen kann, das geht, wie abermals Hellenbach
überzeugend nachgewiesen hat, schon aus der bekannten
Thatsache hervor, dass der Träumende sehr oft Dinge
sieht und thut, welche mit seinem wachen Leben und seiner
Erinnerung in Widerspruch stehen, so dass er im Traurae
eine ganz andere Persönlichkeit ist, ohne dass dies das im
Traume und im Wachen gleiche Subject im mindesten
beirrt. (Somnambulen sprechen bekanntlich im magnetischen
Schlafe von sich in der dritten Person, sogar unter fremden
Namen, und erinnern sich im normalen Zustand an nichts
von dem, was sie hellsehend sprachen, was die von du Prel
citirte Bemerkung Kaufs zu bestätigen scheint, dass das
„Ich" unseres Tagesbewusstseins und die unbewusste Seele
leicht dasselbe Subject, aber nicht ganz dieselbe Persönlichkeit
sein könnten). Auch der oft auffallende Unterschied
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