http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0035
Prof. Maier: Was können wir über em zukünftiges Leben wissen? 27
im Charakter von Kindern (sogar Zwillingen) derselben
Eltern spricht entschieden für die Annahme der Verschiedenheit
eines intelligiblen (in seinem Wesen nach
Schopenhauer unveränderlichen) Keims in uns als Seele oder
im Wesensgrunde unbewusster Wille, der als individuelles
Aetherwesen das ideale Urbild unseres jeweiligen
Körpers vorstellt, den er sich selbst baute, um seine früher
gewonnenen Fähigkeiten zu bethätigen und seinen Charakter
zum sichtbaren Ausdruck zu bringen. Die innere und
äussere Aehnlichkeit von Blutsverwandten dagegen erklärt
Hellenbach treffend durch, den Einfluss des physiologischen
Materials der Keimzellen (d. i. der dem innerlich verwandten
Individuum, in welches jener unsichtbare, ätherische Keim,
durch die Macht der Sympathie angezogen, um seine Neuverkörperung
zu ermöglichen, eingedrungen ist, entlehnten
äusseren Umhüllung), indem er auf die Veränderungen
aufmerksam macht, welche z. ß. schon eine geringe Menge
Alkohol auch auf Temperament und Neigungen des
Menschen ausübt.
Dass aber dieser (von Schopenhauer zum Eckstein seines
Systems erhobene) Wille zugleich die „Kraft" ist, resp.
verleiht, möge das Beispiel eines Pferdes veranschaulichen,
das eine schwere Last fortbewegen soll. Solange es nicht
ziehen will, hat es auch nicht die nöthige Kraft, um seinen
Karren von der Stelle zu bringen; erst wenn es gelingt,
durch Einwirkung auf seine Vorstellung (Erregung von
Furcht oder Hoffnung, Erwartung von Strafe oder Lohn)
seine natürliche Trägheit zu überwinden und es so zum
(mehr oder weniger bewussten) Wollen zu bringen, wird
seine bis dahin latente Kraft zur lebendigen Energie, so
dass die Portbewegung der Last erfolgt, wenn dieselbe
nicht ausser Verhältniss zu seiner Leistungsfähigkeit steht.
Aus diesem Beispiel geht überdies hervor, dass jede Kraft-
äusserung als Wirkung nach aussen eine peripherische
Bewegungserscheinung ergiebt, während das innerliche
Wesen als eine Empfindung des central organisirten Willens
bezeichnet werden kann. Wer es schon mit angesehen hat,
wie Hypnotiseure durch ein leises Wort, ja sogar vielfach
lediglich durch intensive Concentrirung ihres bewussten
Willens ein in Katalepsie versetztes, sensitives Medium
aus dem scheinbaren Todesschlaf erwecken und ihm den
Gebrauch seiner Organe nach gewünschter Reihenfolge
wiedergeben, der kann an der fast wunderbar erscheinenden
Macht des schliesslich mit dem festen Glauben identischen
Willens keinen Augenblick mehr zweifeln, dessen Wirkungen
auf eine Verwandtschaft mit den Erscheinungen des
Magnetismus und der Electricität hinzudeuten scheinen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0035