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34 Psychische Stadien. XXII Jahrg. 1. Heft. (Januar 1895.)
„weissen Frau"*) zugeschrieben werden, an der Tagesordnung
waren. — Herzog Albrecht der Beherzte von Meissen
(1485—1500) hinterliess die Burg seiner Gemahlin, der
böhmischen Prinzessin Sidonie, als Wittwensitz, auf dem sie
im Jahre 1510 starb. Seit dieser Zeit ist die Burg nur
noch als Jagdhaus benutzt worden, zuletzt vom protestantischen
Kurfürsten Moritz, dem späteren Besieger Kaiser
Harl's V.} der zur Zeit seines doppeldeutigen Bündnisses
mit ihm, dem Erzherzog Maximilian, dem späteren Kaiser
M. IL, geb. 1527, allhier i. J. 1548 noch ein prächtiges
Jagdfest gab, worauf der Blitz mehrmals in die Burg einschlug
und sie schliesslich ganz zur allerdings vielbesuchten, romantischen
Ruine verfiel, von der aus man eine entzückende
Aussicht in drei verschiedene Gebirgsthäler geniesst.
Der Sekr. d. Red.
Der I'rozess Czynski in München.
Referirt von Gr. C. Wittig.
„Wegen suggerirter Liebe" — begann heute
unter grossem Andrang von Zuhörern vor dem Schwurgericht
in München gegen den 56jährigen Lehrer der
französischen Sprache, Hypnotiseur und Magnetiseur
Czeslarv Czynski aus Stryi in Galizien eine Verhandlung,
welche sowohl vom allgemeinen, als auch vom wissenschaftlichen
und insbesondere juristischen Standpunkte aus höchst
interessant zu werden verspricht. Es handelt sich zum
ersten Male vor einem deutschen Gerichte um Suggestion,
indem dem Angeklagten zur Last gelegt wird, er habe einer
reichen adeligen Dame, Jb'reiin von Z. auf Lugau in Sachsen,
im posthypnotischen Schlafe Liebe suggerirt. Nachdem ihm
dies geglückt, habe er durch einen fingirten Priester,
Warseiski, am 8, JFebruar 1894 im H6tel „Europäischer
Hot" in München sich mit dem Fräulein trauen lassen.
Aus dem Verhalten des Angeklagten gehe aber hervor,
dass er es auf das Vermögen der begüterten Dame abgesehen
hatte. Der Strafantrag ist von dem Bruder der
Preiin gestellt worden. — Die Dame bestreitet dies auf das
Entschiedenste. Die Anklage lautet auf Verbrechen wider
die Sittlichkeit, Urkundenfälschung u. s. w. Eine Reihe von
Sachverständigen, darunter auch Professor tiirt von der
Breslauer Universität, sind geladen, um Gutachten über
hypnotische Suggestion abzugeben. Die Verhandlung wird
*) Ueber sie haben wir einen grösseren Artikel vorbereitet,
welcher demnächst in den „Psychischen btudien" erscheinen wird.
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