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38 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1895.)
liebt, und sie könne nicht begreifen, wie sie sich vergehen
konnte; es sei ihr fürchterlich gewesen, sie habe nicht anders
gekonnt. Ob Hypnose dabei vorgelegen, könne sie nicht
angeben, doch haben Hypnotisirungen zur Heilung immer
noch stattgefunden. Auch habe sie immer bei ihm essen
müssen, er habe ihr starken Wein gegeben. Auch habe er
zahllose Briefe an sie geschrieben, und habe sie bestürmt,
zu ihm zu kommen. Allmählich sei dann der Wunsch, ihn
zu sehen, immer grösser und stärker geworden. Gespräche
über religiöse Dinge hätten oft stattgefunden; er hätte ihr
gesagt, sie könne seine Seele retten, und sie habe sich mehr
und mehr für diesen Gedanken begeistert. Sie habe ihn
dann auch wirklich geliebt, sie habe geglaubt, in seinem
Charakter einen edlen Kern zu sehen, und habe daher auf
seine Besserung gehofft. Czynski habe ihr Amulete gegeben,
ein Medaillon mit seinen Haaren , einen egyptischen Ring,
den sie alle Tage tragen sollte, dann würde sie glücklich
sein. Sie habe den Ring auch immer am Finger gehabt.
Später habe sie den Ring abgelegt, und da sei allmählich
das Mitleid und ihre Liebe zu ihm geschwunden. Sie verabscheue
ihn jetzt, weil er sie so schurkisch betrogen habe.
Gott habe ihr gezeigt, dass es Uni echt sei. und nicht ihre
Aufgabe, Czynski zu retten. — Der Vertheidiger hält der
Zeugin verschiedene ßriefstellen vor, aus denen hervorgeht,
dass es sich um „schwärmerische Liebe" handelt, dass die
Zeugin auch schon sehr früh, lange vor der Liebeserklärung
Czynski's, ungewöhnlich viel auf seine Meinung gegeben hat.
Gegen die Geheimhaltung der Verlobung, so fährt die
Zeugin fort, habe sie nichts gehabt. Zu dem notariellen
Verzicht Czynski* bemerkt die Zeugin noch, dass sie ihm
eine Rente von 6000 M. für den Fall ihres Todes aussetzen
wollte, er habe aber die Streichung dieser Bestimmung
durchgesetzt. Geld habe er nie von ihr gefordert. Sie habe
ihm aber hier und da kleinere Summen gegeben, im Ganzen
höchstens 1000 oder 2000 M. Darauf wird der Angeklagte
vorgeführt, und die Zeugin wiederholt ihre Aussage." —
Die „Schlesisciie Zeitung" in Breslau Nr. 905 vom
27. Dezember 1891 bringt noch folgende Auslassung der
Frau Baronin: —
= Zu dem Process gegen den Hypnotiseur
Czynski in München bringen die Münchener „Neuesten
Nachr." noch einen Nachtrag. Aus dem unter Ausschluss
der Oeffentlichkeil verlesenen Briefwechsel zwischen Czynski
und der Freiin v. Zedlitz ergab sich, dass Letztere schon
seit langem in einem gewissen seelischen Rapport zu dem
verstorbenen König Ludwig IL zu sein glaubte. Die Freiin
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