http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0083
Eine wichtige Entscheidung für Magnetiseure.
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Es ist wohl ersichtlich, dass dieses ürtheil nur auf sehr
schwachen Füssen steht, und daher anzunehmen, dass die
beantragte Revision*) höchst wahrscheinlich von bestem
Erfolge sein wird. In beiden Instanzen wurde R. durch
seinen Schwager, Rechtsanwalt Glatzel, Berlin, Friedrichstrasse
232 vertreten, und kann ich als Zuhörer nur sagen,
dass ich mich gefreut habe, eine solche Vertheidigung zu
hören, die dem Richterkollegium und den Zuhörern ein
interessantes Bild über den Magnetismus gab. Dass trotzdem
in der zweiten Instanz der Staatsanwalt das Urtheil des
Schöffengerichts aufhob, ist bedauerlich, aber immerhin ist
es ein Erfolg, dass für den Magnetismus öffentlich so von
Patienten eingetreten wurde.
Ein Zuhörer beider Instanzen.
Kachschrift des Sekretärs der Redaetion, — Herr Reichel
schrieb mir unter'm 2. Dezember er. noch Folgendes zur
Erläuterung seines Falles: — „Wenn auch in der zweiten
Instanz die Sache scheinbar schief ging, so ist es immerhin
keine schlechte Sache, dass öffentlich vor dem Staatsanwalt
von sieben Zeugen erklärt wurde, dass ich — als ein
Magnetiseur — von ihnen nach Stettin gerufen wurde, und
dass ich noch dazu Heilungen bewirkt habe, die eigentlich
medizinisch-wissenschaftlich gar nicht sein dürfen! — Wie
Sie aus den drei beifolgenden Stettiner Zeitungen (1) der
Beilage der „Neuen Stettiner Zeitung" Nr. 552 vom
25. November 1894, — 2) dem „Stettiner Tageblatt"
Nr. 276 v. 25. November er. Zweites Blatt — und 3) der
„Stettiner Abend-Zeitung" Nr. 21 vom 26. November 1894)
ersehen, verschweigt das die Presse auch gar nicht. Sie
sagt, dass meine Patienten wohlsituirte, angesehene Bürgersleute
seien und ich meine magnetischen Kuren zu ihrer
Zufriedenheit ausgeführt habe. Ich hätte aber diagnosticirt,
Thees und ein Fläschchen ätherisches Oel verschrieben, auch
andere Patienten, als die mich berufen hätten, empfangen,
und das sei gegen die Gewerbeordnung. Demnach darf jede
alte Kräutermutter ungestraft mehr Thees und Hausmittel
empfehlen, als ich! Trotzdem die Polizei, als ich das
erste Mal nach Stettin gerufen wurde, befragt worden war,
*) Auf nachträgliches Befragen schreibt uns Herr Reichel d. d.
Berlin, d. 10. Januar 1895: — „Diese Revision ist von Herrn Rechtsanwalt
Glalzel zwar sogleich mündlich eingelegt worden, was innerhalb
sieben Tagen nach dem Tage des Termins geschehen musste; nun soll
aber auch innerhalb acht Tagen nach Erhalten des gerichtlichen Erkenntnisses
di»» Revisions-Begrlindimg nach dem Gesetze schriftlich
eingereicht werden, was durch eine Verkettung von Missverständnissen
u. s. w. versäumt wurde. Am 9. Tage war es leider zu spät." —
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