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78 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1895.)
Der auch mit der deutschen Philosophie vertraute
Verfasser, welcher sein Interesse für die Ergründung obiger
Frage selbst als die Folge einer von Jugend auf bei ihm
hervortretenden ausgesprochenen Zuneigung zum Wunderbaren
und aus seinem tiefen persönlichen Ergrifiensein beim
scheinbaren Erlöschen jedes Lebens, auch des unbedeutendsten
Geschöpfs, betrachtet wissen will, ist sich
des durchaus hypothetischen Charakters seiner Vermuthungen
sehr wohl bewusst; allein er beruft sich mit Recht auf
Aug. Comte, der in seiner ,.Positiven Philosophie" den Satz
ausspricht, dass bei der Umbildung jeder neuen Idee drei
Phasen oder Stadien zu unterscheiden seien: — 1) das
philosophische (d. i. intuitive), 2) das conjecturale (d. i. hypothetische
) und 3) das wissenschaftliche oder experimentelle
Stadium. Offenbar geht nun sein Bestreben dahin, in einem
später zu erscheinenden umfangreicheren Werke die Lösung
unseres für die Menschheit allerwichtigsten Problems
allmählich aus dem zweiten in das dritte Stadium überzuführen
. Er stützt sich auf die Darwinsche Entwicklungslehre
und bezeichnet als seinen eigentlichen Zweck das
Studium der biologischen Eigenthümlichkeiten
des Keims, den er als ein präexistirendes, also nicht
gezeugtes Grundwesen (gewissermaassen als Monade) auffasst.
Die frei gewordenen (entleibten) Keime oder Organisationswesen
, die möglicherweise von einem Weltkörper auf den
anderen gelangen können, werden auf den verschiedenen
Absorptionswegen von den Lebewesen aufgenommen, wobei
der Lebenskeim sich nur da festsetzen und erhalten wird, wo
eine seiner eigenen analoge, verwandte Natur seiner Weiterentwickelung
günstig ist. Seine Activität bleibt latent, bis
das Zeugungsphänomen, das Verfasser speciell als „mise
du germe dans un milieu nutritif" charakterisirt, ihn befähigt,
sich aus dem ihm von den Organen des erwachsenen
Wesens (die lediglich die Rolle des passenden Entwickelungs-
und ErLährungsmittels dabei spielen) gelieferten physiologischen
Material einen eigenen neuen Leib zu bilden,
dessen unzerstörbares Kraftcentrum er bleibt. (Den naheliegenden
Einwand, dass die unserer sinnlichen Wahrnehmung
zugänglichen Keime hohen Temperaturen, sowie anderen
zerstörenden Einwirkungen von aussen, nicht lange zu
widerstehen vermögen, bezeichnet Verfasser als nur scheinbar
berechtigt, indem derselbe ähnlich, wie die Frage nach der
Zusammensetzung der einfachsten Körper aus sogenannten
chemischen Elementen, die gegenwältigen Schranken der
Wissenschaft und überhaupt die Tragweite unserer nur die
sichtbare Welt umfassenden Erfahrung überschreitet). Dieser
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