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120 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 3. Heft. (März 1895.)
Und persönlich finde ich in der Thatsaehe, dass sie zweimal
gerade während der Viertelstunde, als man das theiiweise Verschwinden
ihres Körpers anzeigte, \V asser trank, den Beweis
dafür, dass damals wirklich ein Prozess der Dematerialisation
stattfand. Denn es ist klar, dass diese Dematerialisation
ihres Körpers ein gewöhnliches ßegleitphänomen während
der Materialisationen ist, die sich bei ihren Seancen erzeugen
, wovon sie sich aber für gewöhnlich keine Rechenschaft
giebt, (man sehe einen Fall dieser Art, dessen sie
im Oktober-Heft 1894 S. 484 ff. Erwähnung thut,) und dass
dieser ungeheure Durst gerade während dieses Phänomens
hervorgerufen wird durch den ungeheuren Verlust an
Lebensfluidum, der dann sehr wahrscheinlich in ihrem
Körper stattfindet.
5) Und schliesslich, dürfen wir den überspannten
Nervenzustand voller Angst und Leiden übersehen, in dem
sich Mrs. d'E. während dieses Ereignisses befand, — von
dem sie selbst spricht, und den Diejenigen bezeugen, welche
sie naher beobachteten? Und auch ihren Zustand ausserordentlicher
Erschöpfung unmittelbar nach der Seance,
welche dem General Toppeüus (s. September-Heft 1894
S. 440) so sehr aufgefallen ist? War das Alles auch eine
nur gut gespielte Komödie, und weshalb? — die Materialisationen
sind für gewöhnlich nicht von Leiden begleitet.
Mir scheint, dass man das schlichte Selbstzeugniss der Mrs.
tfE. (Oktober-Heft 1894) nicht ohne den Eindruck lesen
kann, dass es ganz aufrichtig ist; und wenn sie sagt: —
„Meine Nervosität und Furcht vermehrten sich mit jeder
Minu:e, so dasb ich mich schrecklich unwohl fühlte" (daselbst
S. 483), — so glaube ich das vollständig. Während meines
langen Aufenthaltes in Gothenburg habe ich Mrs. d'E.
kennen gelernt als eine tief wahrhaftige und aufrichtige
Frau; auch habe ich nicht den geringsten Grund, was sie
über diesen aussergewöhnlichen Fall aussagt, irgendwie zu
bezweifeln. Und jetzt, wo ich dieses genau ein Jahr später
schreibe, darf ich da auch die mehr als nachtheiligen
Folgen ignoriren, welche dieser Vorfall auf ihre Gesundheit
im Allgemeinen und auf ihre mediumistischen Fähigkeiten
im Besonderen gehabt hat, — was sich durch die Thatsache
offenbarte, dass jede Spur von Mediumität, selbst bis
zur einfachen Schrift, bei ihr verschwand? Während drei
Monaten — nichts mehr davon, und sie musste daraus
schliessen, dass sie selbige für immer verloren hätte. Die
gehabte Nervenerschütterung war so stark, dass Mrs. d'E.
während m diesei ganzen Zeit sich nicht in ihr Geschäft
zurück begeben konnte, das sie für die Zeit ihres Aufent-
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