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140 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 3. Heft. (März 1895.)
b) Aus Italien schreibt man uns: — Vor einem auserlesenen
Publikum — auch die Königin war erschienen —
trat der berühmte Romancier und Gelehrte Antonio
Fogazzavo in zwei Vorträgen im Collegio Romano für
den Hypnotismus und im gewissen Sinne auch für den
Spiritismus in die Schranken. Fogazzaro schilderte die
geschichtliche Entwickclung des Hypnotismus von Messmer
bis zur Gegenwart und würzte seine Ausfuhrungen mit der
Erzählung von allerlei geheimnissvollen Erlebnissen, die
unter anderem Bekannte von ihm gemacht haben wollten.
So erschien dem Komponisten Avrigo Boi(of der sich vorübergehend
von Mailand nach Venedig begeben hatte, im
Speisesaal des Hoteis zwischen den Fenstergardinen das
todtenblasse, entstellte Antlitz seines in Mailand zurückgebliebenen
Intimus, des Maestro Faccio. So sehr Boito
sich nun auch sträubte, eine unwiderstehliche Macht zwang
ihn, sofort nach Mailand zurückzukehren, wo er mit dem
Frühzuge eintraf. Er fand seinen Freund als Leiche. . .
Fogazzaro suchte den merkwürdigen Fall telepathisch zu
erklären; vermuthiieh aus Furcht vor gar zu heftigen Angriffen
, falls er sich rückhaltlos auf den spiritistischen
Standpunkt gestellt hätte. — Freimüthiger als der Romancier
drückte sich der Leibarzt des Papstes, Prof. Dr. Lappori,
in einem Vortrage vor klerikalem Publikum über eine Frage
der „weissen Magie", nämlich über das „Wunder von
Lourdes" aus. Dr. Lappori erklärte — et pour cause! —:
nur d e Verblendung könne leugnen, dass die erwähnte
Madonna albrlei Mirakel verrichte, die mit den Naturgesetzen
aufs schroffste kontrastiren, u. s. w. Er selbst habe sich
davon überzeugt, dass Bernadette (das famose Wundermädchen)
eine Aureole trage, dass ihre Haut unempfindlich gegen
Feuer sei [was nach Crookes S. 104 dieses Heftes auch bei
Home der Fall war]; schliesslich wies er, um die verstockte
Wissenschaft vollends ganz zu überzeugen, noch daraufhin,
dass die heilige Quelle von Lourdes, obschon viele Tausende
von Kranken beständig ihre wunden Gliedmaassen darin
baden, noch niemals inficirt worden sei. Alle diese Zeichen
und Wunder seien (der wohlbestallte päpstliche Leibarzt
fand dies schon ex officio „selbstverständlich**) einzig und
allein der Intervention der ,,N6tre-Dame de Lourdes" zuzuschreiben
, für welche, wie gesagt, die sämmtlichen Naturgesetze
Luft seien. — Interessant für die Stellung der
katholischen Kirche zu Hypnotismus und Spiritismus ist
ein in der Seminar-Druckerei von Padua erschienenes
Werkchen mit dem schönen lateinischen Titel: — „Factorum
Species de Hypnotismo, de Tabulis Rotantibus et Spiritismo,
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