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178 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 4. Heft (April 1895.)
Gewiss wollen wir nicht die Möglichkeit ausschliessen,
dass die der unsichtbaren Welt angehörigen (transscendentalen
) Intelligenzen durch Geistererscheinungen und sogar
durch Materialisationen mit uns in Verkehr treten; denn
wir zaudern nicht, uns in die vorderste Reihe zu stellen,
wenn es gilt, im Falle eines Angriffs für diese Lehre zu
kämpfen. Wir scheuen uns nicht, laut und vor aller Welt
das wirkliche Vorhandensein eines beständigen Rapports
zwischen der unsichtbaren und der sichtbaren Welt zu
bezeugen.
Die Philosophie und die Naturwissenschaften, wenn
man sie in ihren Theorien verallgemeinert, wie die Analogie,
verkündigen das Vorhandensein des intelligenten Unsichtbaren
und seiner Beziehungen zu uns mit einer Beredsamkeit
, welche sogar auf die mittelmässigsten Denker ihren
Eindruck nicht verfehlen sollte.
Nun ist aber nach der eben skizzirten Theorie für die
Erklärung der Phantom- und Materialisations-Erscheinungen
unser Zweck nicht der, die spiritistische Theorie zu entkräften
, sondern nachzuweisen, dass der Theoretiker erst
dann an die Gegenwart von Individualitäten verstorbener
Personen appelliren darf, wenn die launenhafte Beschaffenheit
der beobachteten Thatsachen von Grund aus jede andere
Hypothese ausschliesst.
Mit anderen Worten, man muss bei der Aufstellung
der Theorien im Geiste der evolutionistischen Methode
selbst verfahren, d. h. eine complexe und eben deshalb höhere
Theorie nur dann annehmen, wenn man die Theorien einfacherer
Ordnung, welche ebenso viele Zwischenringe bilden,
erschöpft hat.
Endlich muss man dem Streben des menschlichen Geistes
Rechnung tragen, welcher vermöge seines Idealisirungstriebes
immer geneigt ist, an das Wunderbare zu appelliren, so oft
die Erklärung einer Thatsache sich aus den schon bekannten
Erscheinungen nicht leicht erklären lässt.
Seit dem Alterthum, welches den Donner der unmittelbaren
Thätigkeit der Götter zuschrieb, bis auf unsere Tage
ist sich der Charakter des menschlichen Geistes innerhalb
ziemlich enger Schranken trotz den Fortschritten der Wissenschaft
in dieser Hinsicht fast gleich geblieben.
Die Gegenwart verstorbener Personen in unserer Mitte
unter den Formen von Geistererscheinungen und insbesondere
Art Hallueination des Willens, beziehungsweise eine Illusion J
oder richtiger eine auf blossem Schein beruhende Täuschung wäre. —
Anm. des üebersetzers.
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