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21(5 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1895.)
II. Abtheilung.
Theoretisches und Kritisches.
Beobachtungen in einem mediumistischen Privatcirkel.
Nach einem Tagebuche zusammengestellt
von Dr. Richard Wedel in Karlsruhe i. B.
Von seinen Gegnern soll man lernen. So lange die
Herren der heutzutage anerkannten Wissenschaft sich mit
ängstlicher Sorgfalt von den mystischen Erscheinungen fern
halten, müssen wir uns wenigstens ihre eingehend genaue
Methode des Forschens zu eigen machen. Diese ist in letzter
Zeit auf allen akademischen Gebieten zu heben Ehren gekommen
. Es ist auch selbstverständlich; denn nachdem die
alltäglichen Beobachtungen ausgenützt waren, musste man
eben genauer zusehen, um etwas Neues zu entdecken. Man
hat Thatsachen, welche bisher als zu nebensächlich und
unbedeutend galten, um näher betrachtet zu werden, einer
peinlich sorgfältigen Prüfung unterzogen und hat dabei
oftmals ungeahnte Entdeckungen gemacht. Besteht dies
schon bei den fast täglich zu beobachtenden Erscheinungen
zu Kecht, wie viel mehr muss es von den Thatsachen
des Occultismus gelten, welche so überaus eigenartiger
Natur sind, dass sie bis vor Kurzem einer gründlichen
Betrachtung auf wissenschaftlicher Basis sich zu entziehen
wussten. Wem es daher nicht nur daran liegt, bei der
Betretung dieses räthselhaften Grenzlandes persönlichen
Nutzen durch Erweiterung seines eigenen intellectuellen und
ethischen Horizontes zu suchen, sondern wer dasselbe auch
Anderen zugänglich machen und von dem Makel reinigen
will, der ihm und allen seinen Besuchern heutzutage in den
Augen der grossen Masse noch anhaftet, der muss danach
streben, die Wege, welche dahin führen, zu ebnen und
womöglich zu vermehren. Dies kann aber nur dann
geschehen, wenn Jeder seine Erfahrungen, mögen dieselben
noch so unbedeutend erscheinen, gewissenhaft sammelt und
bekannt giebt Ein Genie vermag aus wenigen Daten sich
intuitiv ein wahres Bild von einer Sache darzustellen, was
Kant bei seinen Gedanken über die Entstehung des Weltalls
bewiesen hat; wir Andern dagegen werden gut thun, in
ehrlicher Selbsterkenntniss diese Methode als für uns
ungeeignet zu vermeiden, und die andere mühsamere, aber
sichere wählen, welche darin besteht, aus einer grossen
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