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292 Psychische Studiea. XXII. Jahrg. 7. Heft (Juli 1895.)
Nun folgten drei Ruhetage, an welche sich noch ein
kleines dreitägiges Nachspiel anschloss. Wie beim Beginne
wurden Scheiben zerstört, aber weniger durch Würfe, als
durch Stösse. Der kleine Bruder des Erzählers glaubte
einmal einen rothen Arm zu sehen, welcher eine solche
zertrümmerte. Auch wurde ihm der Rock am Leibe zerrissen,
ohne dass ei es gewahr wurde. Am letzten Tage goss und
spritzte der Spukgeist viel mit Wasser, Schliesslich ist es
wieder der Knabe, welcher im Gartenhause einen Schatten
zu sehen glaubt, und zugleich wird eine Stimme gehört,
welche mehrere Male „Beschlüsse ruft. Und so unvermittelt,
wie es begonnen hat, hört das Treiben auf.*)
Dieses sind die Thatsacher\ Es sei erlaubt, noch einige
Worte beizufügen. Auch wenn wir nicht, wie die Materialisten,
sofort mit der meist durch keine Sachkenntmss getrübten
Erklärung bei der Hand sind und überall einen plumpen
Betrug erblicken, so ist es doch unsere Pflicht, bei derartigen
Berichten die kritische Sonde zur Hand zu nehmen. In
der Thafc ist ja für den ersten Anblick nichts verlockender,
als diese Phänomene für die bevvusste Wirkung von Menschen
zu halten. In diesem Falle tritt ausserdem noch als höchst
verdächtig der Umstand hinzu, dass alle Vorgänge sich am
hellen Tage ereignen und niemals bei Nacht, während doch
sonst das Licht auf das Zustandekommen mystischer
Erscheinungen beinahe ebenso einwirkt, wie auf die photographischen
Prozesse. Ebenfalls stutzig macht die ungeheure
Menge von Unfug, welche getrieben wurde. Eine derartige
Thätigkeit muss ja geradezu den Neid der heutigen
Spiritisten erwecken. Nichtsdestoweniger geht es nicht wohl
an, zu glauben, dass dem Arzte von seinen neidischen
Nachbarn oder Kollegen ein Possen gespielt worden sei;
denn erstens wäre das wohl schwerlich vier Wochen lang
unentdeckt geblieben; selbst wenn man Gerstmann des
unkritischsten Gespensterglaubens beschuldigt, so würde
wohl der eine oder der andere unter den anderen Augenzeugen
skeptisch genug gewesen sein, zu untersuchen und
zu entdecken. Beklagt sich doch der Betroffene bitter in
den Anmerkungen über die wohlfeilen Einwürfe, welche ihm
gemacht worden seien. Ueberdies fand vieles in geschlossenen
Räumen statt, wo an fremde Einwirkung nur schwer zu
glauben ist. Auch die Möglichkeit, dass der kleine Sohn,
welcher ja vieles sah und hörte, was den anderen verborgen
*) Man vergleiche hierzu das spukhafte Umgehen in einer
Apotheke Schlesiens, das der Sekretär der Redaction der „Psych.
Stud." (s. Februar-llert lb8G S. 57 ff.) im Jahre 1852 persönlich erlebt
hat, mit ähnlichen Vorgängen im JVJai-Heft 1894 S. 244 ff. —
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