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492 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 11. Heft. (November 1895.)
d'Esperance sich erneuern könne, gilt es vor Allem, dass ihre
Gesundheit sich wiederherstelle, und dass ihre Mediumität
— die nach dem physischen und moralischen Stosse, den
sie in Folge dieses Ereignisses erlitten hat, — von Neuem
wieder erscheine. Zufolge der letzten Nachrichten, die ich
von ihr erhielt, ist endlich ein etwas besserer Zustand ihrer
Gesundheit wieder eingetreten und hat ihre Mediumität
wieder zu erscheinen begonnen. Hoffen wir also, dass sie
dieser Sache nicht zum Opfer fallen werde, die ihr bis jetzt
nur Anfechtungen, Kummer und Enttäuschungen gebracht
hat für alle derselben von ihr gewidmete Hingebung.
Repiofka, Penza, den 11./23. Juli 1895.
Die weisse Frau.
Referirt und zusammengestellt
von €}r. C. Wittig».
I Tt.
(Fortsetzung von Seite 458.)
Die Sage von der „weissen Frau" auf Burgen ist uralt
und doch nicht mehr so ganz allgemein bekannt, trotzdem
sie ein Heinrieh Heine in seinen letzten Gedichten
(1853—56) noch benutzt hat, um mit ihr das alte Deutschland
vor 1848 zu persifliren. So sagt er in „Köbes L": —
1. im Jahre achtundvierzig hielt,
Zur Zeit der grossen Erhitzung,
Das Parlament des deutschen Volks
Zu Frankfurt seine Sitzung.
2. Damals liess auf dem Römer dort
Sich sehen die weisse Dame,
Das unheilktindende Gespenst;
Die Schaffnerin ist sein Name.
3. Man sagt, sie lasse sich jedesmal
Des Nachts auf dem Römer sehen,
So oft einen grossen Narrenstreich
Die lieben Deutschen begehen.
4. Dort sah ich sie selbst um jene Zeit
Durchwandeln die nächtliche Stille
Der öden Gemächer, wo aufgehäuft
Des Mittelalters Gertille.
5. Die Lamrje und ein Schlüsselbund
Hielt sie in den bleichen Händen;
Sie schioss die grossen Truhen auf
Und die Schränke an den Wänden.
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