http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0513
504 Psychische Studien. XXII. Jahrg. 11. Heft. (November 1895.)
wird; — wie ich dies schon in meinem ersten Schreiben
andeutete. — Aber ich wollte eigentlich auf die elastischen
Spannungen mehr eingehen und darauf aufmerksam machen,
dass gerade die elastischen Spannungen nach wissenschaftlichen
Forschungen im Weltäther am grossesten sind,
weil dieser die wenigsten festen Stoffe enthält, — die
kleinsten Theile der festen Stoffe aber weder dehn- noch
comprimirbar sind. Der Weltäther ist daher der
Hauptträger elastischer Kraft, und irdisch kommt unsere
Höhenluft diesem Körper am nächsten, weil in unserer
Stubenluft schon zahllose, feste Staub theile schwimmen.
Hiermit kommen wir aber unserem Lebensräthsel
schon Etwas näher; denn nach dem mechanischen Gesetze
der Assimilation, d. h. Veranähnlichung, tauschen alle
Körper ihre Kräfte und Eigenschaften um so intensiver mit
einander aus, je mehr sie sich einander nähern. Was sich
daher innig mit der Luft berührt, muss mit diesem Körper
viel elastische Kraft eintauschen, dagegen unelastische
(Auswurfstoffe, Fette u. s. w>) an sie abgeben, und so erklärt
es sich denn, dass alle Bergvölker starknervig, muskelkräftig
und im Durchschnitt sehr alt werden, dass
Sonnen-, Luft- und Lichtbäder so vorzügliche
hygieinische Wirkung haben und viele Thiere der Wildniss
ein Alter erreichen, das nach Jahrhunderten zählt.
In dieser elastischen Spannkraft erblicke ich nun die
eigentliche Lebenskraft,*) weil ich glaube, dass die
kleinsten Atome dieser Materie jedes für sich auch solche
Kräfte mit bei sich haben, die das Leben mit ausmachen,
wie Electricität, Magnetismus, Feuchtigkeit — ja eine Art
Geist, weil diese Atome beim Wachsthum — z. B. von
Schwungfedern der Vögel — sich so vernunftgemäss
und winkelrecht lagern, dass diese Federn eine abgewinkelte
Flugmaschine bilden, wie kein Ingenieur sie genialer
konstruiren könnte mit all seinen mathematisch-mechanischen
Kenntnissen. — Die Summe dieser Atomkräfte bilden dann
*) Es will uns jedoch scheinen, als wäre die elastische Spannkraft
des Aethers eher eine Mitanregerin der Lebenkraft, nicht aber
als diese selbst oder diese als mit ihm identisch zu erachten. Wären
beide identisch, so wäre ja die menschliche Seele selbst nur ein Theil
des Aethers, ein Spiel von jedem Druck der Luft, ein reines physikalisches
Automat, ein blosses Radiometer, was sie doch offenbar
nicht ist. Diese Ansicht scheint auch der Herr Verfasser unmittelbar
nach dieser Stelle und am Schlüsse seines Artikels mit uns zu theilen,
wo er doch vom hinter dem Ga*> Organismus steckenden und diesen
dirigirenden Geiste spricht. — Ueber die „Lebenskraft" hat der Unterzeichnete
gegenüber Prof. Preyer bereits im Septbr.-Heft 1890 S. 414 ff.
eine Reihe von Artikeln geschrieben. — Der Sekr. d. Red.
*
*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1895/0513