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46 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1896.)
Politik und Religion. In einem Briefe vom 9. Februar 1821
kommt Reinhard auf visionäre Erscheinungen zu
reden, die ihn schon in frühen Jahren beschäftigt haben,
und für die ihm die gewöhnlichen physiologischen und
psychologischen Erklärungen nicht genügen wollen; er
bescheidet sich, solche Erscheinungen als Erfahrungen gelten
zu lassen, ohne ihneti weiter nachzugrübeln; aber er
gesteht: — 'Da ich von der unsichtbaren Welt um uns so
überzeugt bin, wie von der sichtbaren, so entstehen daraus
Ideenverknüpfungen, die ich nicht immer hemmen will, noch
darf/ — Wie seine politischen Ansichten, so befestigen sich
in dieser Zeit auch seine religiösen. Eine vorgeschriebene,
ausschliessliche Rechtgläubigkeit erkennt er hier so wenig
an als dort. Er lässt sich genügen an gläubigem Empfinden
und Ahnen, mit Abweichung jedes dogmatischen Zwanges,
und in diesem frommen Skeptizismus weiss er sich mit
dem Goethe der späteren Jahre wesentlich eins, wie er von
hier aus gleichzeitig mit dem warmherzigen Idealismus
Wessenberg's sich aufs Beste verstand." —
d) Unsere älteren Leser erinnern sich vielleicht noch
des Voranze ichens, das Goethe am Tage der Schlacht bei
Leipzig durch das plötzliche Herabfallen des Gypsmedaillon-
Portraits Napoleon's I. hat in „Psych. Stud." Dez.-Heft 1884
S. 586. — Nun lasen wir in neuerer Zeit d\e Bemerkung,
dass Goethe an diesem jedenfalls letzten wirklichen Schlachttage
fd. 18. October 1813), als Napoleon den Rückzug von
Leipzig befahl, ohne Wissen davon unwillkürlich einen
Epilog zum Trauerspiel „Essex** dichtete, worin der
berühmte, Shakespeare nachgebildete prophetische Spruch
vorkommt: —
„Der Mensch erfährt, er sei auch, wer er mag,
Ein letztes Glück und einen letzten Tag." —
e) Zauberei im Alterthum. — Prof. A. Deiss-
mann in Marburg bringt nach seinem Recensenten Herrn
Wendland in Berlin (in „Deutsche Litteraturzeitung" Nr. 29
v. 20. Juli 1895 Spalte 900 ff.) in seinem Werke: —
„Bibelstudien. Beiträge, zumeist aus den Papyri, und
Inschriften, zur Geschichte der Sprache, des Schriftthums
und der Religion des hellenistischen Judenthums und des
Urchristenthums." (Marburg, Elwert, 1895) 297 S. 8° — in
der ersten Untersuchung eine Zusammenstellung „der in
den ägyptischen Zauberpapyri überlieferten Transscriptionen
des Tetragrammaton [vierbuchstabigen Gotteswortes
] mit den bei den Kirchenschriftstellern gebrauchten.
Besonders bcachtenswerth sind da die Zeugnisse für das
der richtigen Aussprache entsprechende laße [Jabe = JahveJ.
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