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52 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1896.)
als meine seligen Eltern mich zum letzten Male in ihrem
Leben zu meinem 50. Geburtstage von Striegau aus in
Leipzig besucht und gerade verlassen hatten, als dieser
Herr sich mit Frau Gemahlin und einzigem sechsjährigen
Töchterehen bei mir zu überraschendem Besuch anmeldete
in einer Zeit grosser spiritistischer Herabgestimmtheit
in Folge vorangegangener heftiger Kämpfe über die psychische
(oder animistische) und spiritistische Theorie, sowie
beginnender hemmender Verordnungen widor die Spiritisten
im Königreich Sachsen. Bastian war in Wieik vom Erzherzog
Johann verschollenen Andenkens angeblich entlarvt worden,
und die deutsche Presse jubelte in allen Tonarten über den
entdeckten Humbug des Spiritismus. Da kam dieser Mann
mit seiner bereits in mehreren Artikeln jener Jahrgänge
ihre unerschütterliche Theilnahme und geistige Mitthütigkeit
bekundet habenden Gattin den weiten Weg über Wiesbaden
extra zu mir, um mich durch seinen geistvollen Zuspruch
und seine brüderliche Herzlichkeit wieder aufzurichten. Aber
noch mehr, als mir wenige Monate darauf meine älteste
achtjährige Tochter Konstanze, welche mit seinem einzigen,
über Alles geliebten Töchterchen Mimi (vergl. „Psych. Stud."
Januar-Heft 1892 S. 1) Puppe gespielt hatte, am Heiligen
Dreikönigs abend 1885 durch den Tod entrissen wurde, waren
sie es, die mir aus südlicher Ferne reichsten Trost und auch
Hilfe spendeten. Einen solchen Freund vermisst man schwer,
wenn er für unsere eigene noch übrige Erdendauer von uns
scheidet. Doch ich lasse über ihn und seine geistige Bedeutung
im Leben am besten seiner nun verwittweten
Gattin das Wort, die mir zum Weihnachts-Heiligenabend
schreibt: —
„Meine lieben Freunde! Vergelte Ihnen der Herr Ihr
warmes Mitempfinden unseres Schmerzes. . . Sie wünschen
einige Daten über das Leben meines unvergesslichen
Nikolai. Sein Leben war ein vielbewegtes, äusserst reiches.
1821 am 1. December (a. St.) geboren in Simpheropol, wo
sein Vater eine hohe Regierungsstellung bekleidete, wurde
er für die diplomatische Laufbahn erzogen, besonders für
die Türkei. So legte man denn besonders Gewicht auf die
Türkische, Koptische, Syrische, Armenische, Arabische,
Persische und Egyptische Sprache, welche Sprachen und
ihre Dialecte ei vollständig inne hatte. In seinem 18. Jahre
zog?s ihn auf den Kaukasus, wo er unter Woronzow, der ihn
wie seinen Sohn liebte, seiner ungewöhnlichen Kühnheit
und Tapferkeit halber im 20. Jahre zum Offizier ernannt
wurde. Als er die Schärpe erhielt, war sein Kopf von
Säbelhieben zerhauen, die jedoch den Schädel nicht durch-
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