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Wittig: Professor Röntgen's geradlinige X-Strahlen. 89
graphirenden Object. Prof. R. photographirte z. B. die
Gewichtstücke eines Gewichtsatzes, ohne das Holzetui zu
öffnen, in welchem die Gewichte aufbewahrt sind. Auf der
gewonnenen Photographie sieht man nur die Metallgewichte,
nicht die Cassette. Er photographirte ferner eine Spirale
in einem Holzkasten, deren Draht sehr scharf aufgenommen
ist, während das Kästchen nur schattenhafte Umrisse zeigt.
Auch eine Magnetnadel in einer Kapsel wurde mit den
Theilstrichen der vier Weltgegenden aufgenommen. Am
überraschendsten ist die durch diesen Prozess gewonnene
Abbildung einer menschlichen Hand. Das Bild
enthält die Knochen der Hand, um deren Finger die
Ringe frei zu schweben scheinen. Die Weichtheile der
Hand sind nicht sichtbar. In Wiener Gelehrtenkreisen suche
man jetzt der Sache durch eingehendere Prüfung in den
Laboratorien noch näher auf den Grund zu kommen.*)
Biologen und Aerzte erhoffen durch diese Entdeckung eine
Durchleuchtung des menschlichen Körpers für Zwecke einer
besseren Diagnose und rascheren Heilung von inneren
Verwundungen, Geschwülsten und Erkrankungen, als durch
blosses Percutiren und Auscultiren. [Wir verwundern uns
nur, dass man seiner Zeit v. Reichenbach's „Odlehre", welche
bereits ganz ähnliche Behauptungen einer Durchleuchtung
des menschlichen Organismus für Sensitive aufstellte, mit
solchem Hohn abspeiste und so vorschnell in die Rumpelkammer
des Wissens warf, vom Hellsehen und der
Hellbesinnung der Somnambulen und Heilmedien
noch ganz abgesehen! — Refer.]
Weiter wird nunmehr noch aus Wien berichtet,
dass Prof. R. seine Photographien* auch ohne einen
photographischen Apparat herstelle: — der Belichtungsstrom
, welcher aus den Cr ookes'sehen Röhren
hervorgeht, passire beim Photographiren keine Linse.
Er falle direct auf den zu photographirenden Gegenstand,
und unmittelbar hinter demselben befinde sich die „Cassette"
mit dem zu einer gewöhnlichen photographischen Aufnahme
präparirten Papier. Damit dieses Papier nicht vom Tageslicht
berührt werde, sei es in der Cassette wie gewöhnlich mit
einem Holzdeckel geschützt. Dieser bleibe beim Röntgen*'sehen
Verfahren eingeschoben. Die von den Cröoto'schen Röhren
ausgehenden Strahlen würden in der Linse nicht
gebrochen, sie entwickelten auch keine Wärme, übten
*) Inzwischen sind in Wien, Paris, Berlin, Halle, Leipzig, London,
Bern etc. ähnliche Photographien erhalten worden, besonders solche
auf im Organismas befindliche chirurgische Fremdkörper bezügliche.
Auch werden die Strahlen anders erzeugt. — Der Sekr. d." Red.
Psychische Stadien. Februar 1896. 7
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