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Schupp: Röntgen's Entdeckung und die Hellseher. 127
Deutschen Hittorf (in Münster) und dem Engländer Crookes
gemacht. Es entstehen nun Strahlen, welche zwar für das
Auge völlig unsichtbar sind, welche sich jedoch photographiren
lassen. Diese Strahlen zeichnen sich nun dadurch ganz
besonders aus, dass sie durch Holz und organische Theile
hindurchgehen, nur von Metallen und von Knochen aufgehalten
werden. Bei hellem Taglicht kann man diese wegen
ihrer Unerklärbarkeit vorläufig als X-Strahlen benannten
räthselhaften Phänomene durch die geschlossene Holzcassette
hindurch photographiren. Röntgen vermochte die metallenen
Gewichtstücke in einem geschlossenen Holzetui damit zu
photographiren. Diese Strahlen gehen nun anscheinend
ohne Brechung durch die Weichtheile des menschlichen
Körpers, sie gestatten daher, dass man das Skelet einer
Hand photographiren kann, um deren Finger die Ringe
frei zu schweben scheinen.
Neben der grossen Bedeutung, die diese Entdeckung
in praktischer Hinsicht, z. B. zur unfehlbaren Diagnose von
Knochenbrüchen besitzt, und die bereits in der Wiener
Klinik eines Professors erprobt und bestätigt gefunden
wurde, kommt die viel grössere in Betracht, welche dieselbe
für unsere theoretischen Grundanschauungen hat. Wird
das ungebrochene Hindurchgehen dieser X-Strahlen durch
Holz, Weichtheile u. a. noch von anderen Beobachtern
bestätigt, was bei der Herkunft der Entdeckung ziemlich
zweifellos ist, so geräth die „Undulationstheorie" über das
Wesen des Lichtes in bedenkliche Unsicherheit, und die
von dem grossen Physiker Newton aufgestellte und seit etwa
vierzig Jahren als „veraltet" geltende „Emanationstheorie"
rückt wieder in den Vordergrund. Die Undulationstheorie
führt, wie ihr Name sagt, die Lichterscheinung auf Wellenbewegungen
des das Weltall erfüllenden Aethers zurück.
Im Gegensatz dazu behauptet die Emanations- (oder auch
Emissions-jTheorie, das Licht bestehe aus feinen Atomen,
welche dem leuchtenden Körper entströmen und alle durchsichtigen
Körper durchdringen.
Als eine Hauptkonsequenz der Emanalionstheorie sah
man es nun an, dass das Licht im dichteren Medium sich
schneller fortpflanze, wie im dünneren. Als nun Foucault
1854 das Gegentheil dadurch nachwies, dass er die
Geschwindigkeit des Lichtes im Wasser und in der Luft
verglich und letztere grösser fand, neigte man allgemein zur
Undulationstheorie.*) Diese ist inzwischen zur patentirten
*) So soll, während dieses gedruckt wurde, die Farbenphoto-
graphie (d. h. eine Photographie, die genau so fcrbig wie ein Bild
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