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162 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 4. Heft. (April 1896.)
opera maleficarum non credere", d. h. „die grösste Ketzerei
ist, an Hexen nicht zu glauben!" — Der heutige Kulturmensch
steht erschreckt, erzürnt und staunend vor dieser
Hexenperiode und fragt sich: — waren denn alle Menschen:
Theologen, Juristen, Mediciner und Philosophen Wahnsinnige
oder Verbrecher geworden, dass sie mit Grausamkeit vollkommen
Unschuldige verfolgten und für etwas straften, was
dieselben nie gethan haben konnten? Wie kommt es, dass
Alle, vom gekrönten Pürsten bis zum Bettler, — alle, auch
die erlauchtesten Geister dieser Jahrhunderte, Etwas verdammt
und hart bestraft haben, das nur in ihrer Einbildung
existirte? Darauf kann nach den neuesten massgebenden
Untersuchungen über dieses Problem geantwortet werden
: — Es ist vor Allem auffallend, dass alle Hexen in
der Angabe ihres Teufels Verkehrs, ihrer Teufelsbuhlschaft,
genau übereinstimmen; nur wird das Bild des Teufels, je
nach kulturellen und ethnographischen Unterschieden,
verschieden ausgemalt. Im Uebrigen aber stimmen die
mexikanische Hexe mit der bayerischen und die norwegische
mit der italienischen Hexe vollkommen in den Angaben ihrer
Teufelsbuhlschaft und ihres Hexenverbrechens überein. Das
lässt sich aber — da damals keine Tagesjournale mit
gedrucktem Protokoll über Hexenprozesse erschienen und
auch Bücher bei ihrer Seltenheit den niederen Yolksschfbhten
unzugänglich waren, — nur aus einer gewissen psychischen
Epidemie, einem undefinirbaren Contagium, das sich gleich
einer Seuche über alle Länder verbreitete, erklären. Auch
die einzelnen Hexen, denen ja allerdings der Richter durch
geschickt gestellte Prägen Vieles suggerirte und in sie
hineinfolterte, blieben sich in ihren Aussagen und Angaben
treu: — z. ß. erwähnt der grimme Hexenrichter Nicolaas
Remigius, dass Hexen sich vor ihm, mit seiner Erlaubniss,
mit ihrer (stimulirenden) Salbe bestrichen, darauf in einen
„steinharten" Schlaf verfielen, während welches sie die
Richter bewachten, und welcher Schlaf drei bis fünf Stunden
währte; die Hexen machten in ihrem Schlaf heftige
Bewegungen, als ob sie reiten und ihrem Pferde die Sporen
geben würden. Wieder erwacht, waren sie dann müde und
zerschlagen, und wussten Wunderdinge zu erzählen von der
Hexenfahrt, den Orgien des Hexensabbaths, welche andere
Hexen sie daselbst getroffen, über Länder und Städte, die
sie gesehen, u. s. w. Dazu bemerkt Bariholomaeus de Spina,
nachdem er solche Erscheinungen erwähnt hat, sehr richtig*):
*) Dieses Citat ist aus de Spina"'s: — „Quaestio de Strigibus"
[Frage über Hexen}; ich habe dasselbe, so wie die oben erwähnten
Angaben des Remigius, einer Studie Carl Kieseweüer1* „Die Hexensalben
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