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J82 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 4. Heft. April (1896.)
es für ihn nicht. Trotzdem hielt aber Buddha den Glauben
an das Beharren des Individuums in verschiedenen
Existenzen ohne etwas Beharrendes fest, was einen Mangel
an logischem Denken verräth, welcher auffallend ist bei
einem Manne, der eine Weltreligion begründet hat, welche
noch heute die meisten Anhänger zählt. Allein die
Bedeutung derselben liegt keineswegs in ihrer Theorie,
sondern in ihrer praktischen Wirkung auf das sittliche
Verhalten ihrer Bekenner, welche aus der Liebeslehre des
Meisters von jeher auch Ernst zu machen suchten. Noch
zu erwähnen sind die materialistischen Ideen aus vorbuddhistischer
Zeit, welche schon in den ältesten
buddhistischen Schriften als Irrlehren erwähnt werden,
wornach z. B. die Seele aus den vier Elementen gebildet
ist und bei der Auflösung des Körpers zu Grunde gehl.
Spätere Materialisten lassen dann als einziges Erkenntnissmittel
die Perception gelten, wornach die Seele nichts
anderes sein soll als die Resultante des Körpers mit
dem Attribut der Intelligenz. Dies ist aber entschieden
das Unbedeutendste, was die indische Philosophie zu
leisten vermochte, und weist bereits auf eine gewisse geistige
Erschöpfung hin, während der Ernst der wissenschaftlichen
Forschung, die Freiheit und Kühnheit des
Denkens, der Reichthum an eigenartigen Ideen und die
Fülle von Analogien mit den Ergebnissen der am weitesten
fortgeschrittenen Wissenschaft des Abendlands bei den
älteren brahmanischen Philosophen unsere Bewunderung in
solchem Grade erregen, dass wir, wie Griechenland für die
Kunst und Rom für das Recht, so das alte Indien für die
Religionsphilosophie als das klassische Land in Anspruch
nehmen dürfen.*)
*) Als ein recht instructiver Artikel hierzu erscheint uns die
religionsgeschichtliche Studie des Prof. Hermann Oldenberg, betitelt:
— „Die Religion des Veda und der Buddhismus" — in „Deutsehe
Rundschau", herausgegeben von Julius Rodenberg (Berlin, Gebrüder
Paetel) No. 3 vom 1. November 1895 S. 173 - 205„ im Jahre 1894 auch
als ein ausführlicheres Werk von demselben Verfasser erschienen.
Der Sekr. d. Ked.
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