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Wittig: Ein Geisterschuss. 183
I1L Abtheilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen dergl.
Ein (*ei$terscliii$s.
Nach Paul Wesenfeld referirt und besprochen
von Gr. C. Wittig.
Der neuere Roman - Schriftsteller Paul Wesenfeld berichtet
in seiner Novelle; — .^Charitas" — in der „Allg.
Moden-Zeitung" Nr. 2 v. 8. Januar 1895 S. 17—18 auch die
folgende unter anderen seltsamen Erscheinungen, welche er
eine fPörsterswktwe ihrer Tochter Bdbette erzählen lässt:
— „'Als wir uns verheirathet hatten', fuhr erstere fort,
'bekam Dein Vater eine Stellung, tief in einem polnischen
Walde. Es war eine alte, baufällige Wohnung, welche wir
zu beziehen hatten; der Graf, welchem die Waldung gehörte,
wollte nichts daran verbessern lassen. Ich denke noch heute
mit Schreck an den unheimlichen Aufenthalt, mit welchem
wir uns indessen begnügen mussten, da es keinen anderen
Ausweg gab. Wir richteten uns also ein, so gut es ging,
aber wir wurden unseres Lebens nicht froh, denn ein
unbekanntes Etwas, welches unseren Vorgänger ver-
tiieben hatte, hinderte uns daran. Um Mitternacht nämlich,
so oft der Mond voll geworden, fiel an der Schwelle
unserer Hausthür einSchuss; es war genau der Knall
eines Gewehrs, ohne dass man indessen, so oft Dein Vater
auch aufpasste, das Feuer sah. Als sich dies regelmässig
wiederholte und Niemand eine Erklärung dafür hatte, Hessen
wir auf unsere Kosten die Thürschwelle und unter derselben
den Grund ausheben. Lange wurde nichts Auffälliges
gefunden, endlich stiess einer der Arbeiter auf ein Skelett,
Petzen einer französischen Grenadieruniform, eine verrostete
Flinte und eine Säbelklinge. Wir Hessen diese Funde in
einer Kiste bergen, und Dein Vater setzte sich mit dem
Schulzen des nahen Dorfes in Verbindung, auf dessen
Kirchhof dann die gefundenen Gegenstände eingegraben
wurden. Seitdem sind wir nie wieder, wie früher, gestört
worden,*) dennoch waren wir schliesslich froh, als Dein
*) Aehnlicbe „Geisterschüsse" findet man in „Psych. Studien"
Juli-Heä 1883 S. 340 ff., in einem Erlebniss des Malers Gabriel Max,
ferner beim „spukenden Juden im Bergwerke zu Limni" März-Heft
1894 S. 114 ff.; verwandt damit ist das Rollen der „gespenstigen
Kutsche" in Friedrich Proy%* Erlebnissen Juni-Heft 1894 S. 305 ff. —
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