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198 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 4. Heft. (April 1896.)
neuliche Seance im „Prälaten" ergeben hatte, wo das Rollen
der Stadtbahuzüge unangenehme Störungen verursachte. Die
Theilnehmer zählten auch diesmal nach Hunderten, so dass
der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war. Dr. Egbert
Müller schickte den Experimenten eine einleitende Rede
voraus, in der er hauptsächlich das Verhalten der Presse
dem Spiritismus gegenüber tadelte. Die Zeitungen' sollen
„Zeitungen" sein und objectiv über Alles berichten, was
in der Welt an Merkwürdigem vorgehe. Der Vorsitzende
nahm hierbei Gelegenheit, der Presse zu danken, dass sie
über die erste grosse Seance im „Prälaten" zum grössten
Theii ausführlich und verhältnissmässig objectiv berichtet
habe. — Die Experimente nahmen ziemlich denselben
Verlauf, wie in der ersten Sitzung, mit dem Unterschiede,
dass diesmal thatsächlich, wie erwartet wurde, die Klopftöne
mit erheblich grösserer Deutlichkeit und in bedeutend feineren
Schattirungen zu vernehmen waren. Schon vor der Vorführung
der „femnie masquöe", deren Gesicht wieder durch
eine schwarze Maske verhüllt war, machten sich in ihrer
Nähe klopfende Töne bemerkbar. Auf dem Podium waren
sie so deutlich, dass sie diesmal auch in den entferntesten
Ecken des Saales gehört wurden. Leider konnte das Medium
diesmal nicht in Trance gebracht werden (wenigstens antworteten
die „kontrollirenden Geister" auf die diesbezügliche
Frage Dr. Müller^ mit einem einmaligen, „Nein" bedeutenden
Klopfen, so dass man auf Trancereden und auf die Glocken-
und Triangeltöne, die Dr. Müller als etwas besonders Hörens-
werthes bezeichnet, auch diesmal verzichten und sich mit
den Klopftönen begnügen musste, die allerdings an Variationen
ausserordentlich reich waren und eine Reihe von schwierigen
Takten, Rhythmen und rollenden Bewegungen, die von
Dr. Müller oder von Personen aus dem Publikum angedeutet
wurden, widergaben. Auch das spiritistische „Buchstabiren"
(Klopfen bei bestimmten Buchstaben des Alphabets) wurde geboten
und den Anwesenden auf diese Weise aus dem „Geisterreich
" das Wort „Gruss" übermittelt. — An die Experimente
knüpfte sich eine lebhafte Discussion, wobei besonders über die
„occulten, intelligenten Kräfte" gesprochen wurde, mit denen
Dr. Müller das Zustandekommen der Klopftöne erklärt.
Während einerseits als wirkende Kraft die eigene Psyche
des Mediums angenommen wurde, meinte Dr. Müller, dass
allerdings die Frage offen stehe, ob die klopfenden „Geister"
wirklich die „Geister von Abgestorbenen", als die sie sich
ausgeben, oder „Dämonen" („Lügengeister"), oder die Psyche
des Medium8 seien, dass er das Letztere aber arg bezweifle.
Eigenthümlich ist es, dass, wie Dr. Müller erklärte, die
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