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Reichel: In eigener Sache
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empfohlen sein. Zahlreiche Kranke, die hoffnungsvoll zu
ihm gewandert, richteten eine Petition an den Grossherzog
um Freilassung des M." —
Der erste ausführliche Bericht über diesen Herrn
lautet: —
= „Ein Wunderdoctor. — Aus Karlsruhe,
31. März er,, schreibt unser t-Correspondent: — Ein
'Wunderdoctor' hält sich schon seit Monaten in unserer
Residenz auf und hat, wenn nur der zehnte Theil von dem
wahr ist, was über ihn erzählt wird, die wunderbarsten
Kuren ausgeführt. Seit einigen Tagen hat nun die Polizei
ein grosses Interesse für diesen Mann, einen Polen Namens
Majewski, an den Tag gelegt, das für den Wunderarzt
verhängnissvoll werden sollte, denn Majewski ist unter dem
Verdachte, sich eines Betruges schuldig gemacht zu haben,
verhaftet worden. Das Einschreiten der Staatsanwaltschaft
hat in weiten Kreisen nicht nur Aufsehen erregt, sondern
auch und dies insbesondere bei den Patienten des Verhafteten,
die täglich zu Hunderten dessen Wohnung umlagerten, einen
Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Ein hiesiger angesehener
Bürger hat alsbald, nachdem ihm Majewski* $ Festnahme bekannt
war, eine Caution von M. 50,000 für dessen Freilassung
angeboten, die aber von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen
wurde. Jetzt circulirt in der Stadt eme Art
Petition, deren Inhalt von hoher Stelle ein Einschreiten zu
Gunsten des verhafteten 'Doctors' verlangt. Diese Petition
hat schon eine Menge von Unterschriften aufzuweisen. Man
darf gespannt sein, welche Lösung diese Angelegenheit finden
wird. Was die Person des 'Wunderdoctors* betrifft, wird
über dieselbe mitgetheilt, dass Majewski in Berlin sein auch
hier angewendetes Naturheilsystem fünf Jahre ausgeübt hat,
und dass er von dem bekannten Professor Schweninger an
verschiedene fürstliche Familien und hochstehende Persönlichkeiten
empfohlen wurde. Thatsache ist es jedenfalls,
dass Majewski eine Reihe von Personen erfolgreich behandelt
hat. Der oben angeführte hiesige Bürger, der die hohe
Caution angeboten, war seit Jahren an den Beinen vollständig
gelähmt. Er hatte wegen seines Zustandes erste
medicinische Capacitäten consultirt, aber es war Niemandem
möglich, ihm Besserung zu verschaffen. Die Behandlung
durch Majewski hat nun dem siechen Manne, den sein
Zustand der Verzweifelung nahe gebracht hatte, neue
Lebensfreude gegeben, denn er kann, wovon Ihr Corre-
spondent sich selbst überzeugt, heute wieder stehen und auch
kurze Wegstrecken gehen." („General-Anzeiger der Stadt
Frankfurt a. M," Nr. 79 v. 2. April 1896.)
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