http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0232
222 Psychische Studien. XXIII. Jahrg, 5. Heft. (Mai 1896.)
Da ich persönlich in diesen jfall verwickelt worden bin,
möchte ich Folgendes veröffentlichen. Am Cbarfreitag den
3. Apiil Abends 7 Uhr lief bei mir durch Vermittelung der
Bevier-Polizei eine telegraphische Vorladung des Criminal-
Oommissariats zu meiner Vernehmung am 4. April Vormittags
10 Uhr auf dem Polizei-Präsidium, Alexanderplatz,
ein. Ich bat sofort schriftlich, da meine Praxis eine sehr
grosse sei, um Verlegung der Stunde auf 2 bis 3 Uhr. Ich
fuhr aber doch schon um 12 Uhr nach dem Polizei-Präsidium,
wo mir der betreffende Decernent in liebenswürdiger Weise
mittheilte, dass er die Akten, die meine Vorladung be-
nöthigten, bereits an das Polizei-Amt meines Revieres
gesandt habe, um meine Zeit nicht in Anspruch zu nehmen.
Bei meiner heutigen Vernehmung wurde mir ein
Aktenstück, das aus Karlsruhe von der dortigen Behörde
hier eingelaufen war, gezeigt, in welchem stand, dass ein
gewisser Majerewski oder Majewski — ich erinnere mich
nicht genau, — der behauptete, im Besitz einer geheimnissvollen
Kraft zu sein, wegen Betruges verhaftet sei. Derselbe
hätte angegeben, dass er in früheren Jahren in einer
Dampfsägefabrik in Charlottenburg angestellt gewesen sei,
dann aber 1892—1893 und speziell 1893—1894 bei einem
Magnetopathen Reichelt Studien gemacht und von ihm das
magnetische Heilverfahren erlernt habe, wofür er M. 70
bezahlt habe. Reichelt hätte damals in der Oranienstrasse
gewohnt und von 8 bis 12 und 2 bis 3 Sprechstunden gehabt,
und er würde sich seiner schon erinnern. Die hiesige
Behörde wurde nun ersucht,, in dieser Hinsicht bei mir zu
recherehiren.
Ich gab zu Protokoll: — „Dass ich mich nicht erinnern
könne, jemals diesen Namen gehört zu haben, auch nie in
der Oranienstrasse gewohnt habe, desgleichen nie Jemanden
ausgebildet hätte und meine Sprechstunden nie um angegebene
Zeit gewesen seien. Ob hier ein Irrthum vorläge,
da mein Name nicht richtig geschrieben sei, könne ich nicht
wissen, da mir ein Magnetiseur Reichelt nicht bekannt sei in
Berlin."*)
*) Nachträglich lesen wir aus Karlsruhe, 7. April: — ,,Der
Wunderdoctor Mdjewski, der am Sonnabend gegen Caution entlassen
wurde, ist flüchtig geworden. Die von ihm über seine Person
gemachten Angaben erwiesen sich als Schwindel. Die Caution verliert
ein vertrauensseliger Patient." — („Leipz. Tagebl." 3. Beil. Nr. 178 v.
9. April er.) — Das „Berliner Tageblatt" vom 16. April er. theilt mit,
dass „der aus Karlsruhe flüchtige Wunderdoktor Majewski in Zürich
verhaftet worden sei. Seine Auslieferung wird demnächst erfolgen." —
Der Sekr. der Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0232