http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0240
230 Fsyehisehe Studien. XXIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1896.)
betrachten, insofern ihr „Astralkörper" die Phänomene
verursachte, wovon ihr physisches, fünfsinnliches Bewusstsein
eine mehr oder weniger deutliche Vorstellung haben kann.
Ganz deutlich war dies Bewusstsein vorhanden in dem
zuerst erzählten Falle; in dem zweiten, in dem des Matrosen
auf dem Wrak, war es sehr getrübt, denn der Mann
erzählte nachher, als die Bemannung des Wraks infolge
der transscendentalen Kursanweisung von dem zweiten
Schiffe gerettet wurde, er habe nur geträumt, dass
ein Schiff auf sie zukäme, welches die Rettung brächte.
Die zuletzt dargestellten Fernwirkungen waren dagegen
stets unbewusster Natur, nur die Gedanken an Zuhause
lieferten das Band. Es ist aber gar nicht nöthig, dass
diese Gedanken die Ursache des Fernwirkens waren,
sondern man kann auch sehr wohl die Action des
somnambulen oder vielmehr odischen Subjects als Ursache
der Gedanken an die Heimath bezeichnen; ja dies ist
sogar das Wahrscheinlichere, wie auch der Traum des
Matrosen lehrt. Wir wissen daher nicht, wie weit wir in
unseren Gedanken und im Thun abhängig sind von dem
überfünfsinnlichen Walten unseres zweiten Ich: — wer
kennt nicht die ,,innere Stimme ?" — Der objective Zwang
behauptet freilich in der Regel seine Uebermacht; sicher
aber ist mir, dass wir in diesem noch unsichtbaren
Einflüssen unterworfen sind, sonst wäre ein Vorausschauen
zukünftiger Ereignisse nicht möglich. Ich komme
hierauf noch zurück.
Wie nun Licht in das Gewirr der telepathischen
Phänomene zu bringen ist, dafür haben wir bis jetzt noch
wenig Anhalt. Sie durchlaufen alle Stufen der Wahrnehmbarkeit
, und oft gehen die nur scheinbaren in die physikalisch
realen über, oder beides findet sich unmittelbar nebeneinander
. Wie können scheinbare Klopf laute ertönen,
wie kann man scheinbar mit Kalkstücken oder mit Sand
werfen, wie kann scheinbar Geschirr zusammenstürzen?
Die „Scheinbarkeit" ist hier, wohl verstanden, aber dieselbe,
wie bei schnell entstehender und wieder sogleich vergehender
Schrift und wie diejenige der nebelhaften oder materiali-
sirten Phantome und Spirits.
Eine mir bekannte Dame erblickte einst beim Aufwachen
und Aufstehen aus dem Bette vor sich einen Kelch, von
dem ein prachtvoll bordeaux-rothes Licht aufstieg und
gleichermaassen entquoll; es sank zusammen, und die
Erscheinung wiederholte sich kurz darauf noch einmal. Mit
derselben Dame hielt ich einmal eine kleine Tischsitzung
ab bei ziemlich hell brennendem Gaslicht. Sie thut das,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0240