http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0264
254 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. t>. Heft. (Juni 1896.)
Druck sich über meine auf der Bettdecke ruhende Hand
legte. Da Grossmutter und Tante in demselben Zimmer
schliefen, glaubte ich anfangs, es sei Jemand von ihnen,
griff rasch nach der Stelle, wo der zu der gefühlten Hand
gehörige Arm sein musste, fand aber nur leere Luft! Dass
ich mich dabei in wachem Zustande befand, weiss ich
sicher. Auf mein Befragen erklärten Grossmutter und
Tante, nicht bei mir gewesen zu sein. Eine unwillkürliche
Berührung Seitens derselben erscheint ausgeschlossen, da
unmittelbar neben mir Niemand schlief, die Betreffende also
hätte aufstehen und zu meinem Bette gehen müssen, um
meine Hand berühren zu können. Am nächsten Abend
hatten wir Tischrücksitzung, und ich entschloss mich nur
schwer, eine diesbezügliche Frage an unseren Hausspirit
zu stellen, da ich seinen derben Spott fürchtete, wozu ich
guten Grund hatte.
Folgendes zur Erläuterung. Wir hatten einmal bei einer
Dunkelsitzung ein polterndes Geräusch beim Fenster gehört
und frugen ihn, ob „er4* das gewesen sei. Darauf erhielten
wir die Antwort geklopft: — „Der Zug." — Frage: — „Ist
denn das Fenster offen? — Antwort (gekl.): — „Freilich!
Hahaha!" — begleitet von heftigem Beuteln des Tisches,
wodurch er seine Heiterkeit zu erkennen giebt. Thatsächlich
war das Fenster, ohne dass wir es gewusst, offen geblieben.
— Ein anderes Mal hatte Fräulein X, eine Theilnehmerin
an unseren Tischrücksitzungen, behauptet, einen lichten
Schein über die Wand gleiten gesehen zu haben. Auf eine
diesbezügliche Frage erhielten wir die Antwort geklopft:
— „Einbildung. Die X ist sehr dumm!1' — (Heftiges Beuteln
des Tisches.) Da ich nun aus Erfahrung wusste, wie grob
unser Spirit überschwängliche Illusionen seiner Cirkelmit-
glieder abfertigte, war meine Scheu, eine Frage wegen der
kalten Hand an ihn zu stellen, begreiflich, wenn ich auch
überzeugt war, dass es sich in diesem Falle um keine
Illusion handle. Zu unserem Erstaunen erhielten wir jedoch
dies Mal die Antwort geklopft: — „Liebe Bertha, sei nicht
böse auf mich, das war ich; ich muss mich zeitweilig
bemerkbar machen." — Ich bat ihn hierauf, sich in Zukunft
etwas zurückzuhalten. — Antwort (gekl): — „Wenn Du
es wünschest, gewiss! Ich habe nicht gewusst, dass Dir das
unangenehm ist" — Dr. Krasnicki frug dann: — „Wirst
Du Dich also nicht mehr bemerkbar machen?" — Keine
Antwort. — Dr. Krasnicki: — „Oder doch?" — Antwort
(gekl.): — »Bertha braucht keine Angst zu haben!" — In
diesem Moment erst erinnerte ich mich wieder des braunen
Mannes, den ich vor Jahren an meinem Bette stehen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0264