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Grosse Spiritist. Vorstellung der „Femme masquie" in Berlin, 281
wohl: — So leben wir, so leben wir, so leben wir alle
Tage?« — Der Klopfer: — „Jawohl!" — Dr. Müller: —
— „Ein Berichterstatter hat sich neulich mal den Spass
gemacht, (parodistisch) zu schreiben: — 'So klopfen wir, so
klopfen wir u. s. w.'" (Grosse Heiterkeit.)*) Nun versuchte
Dr. Müller die Klopfgeister in das Ciavier hineinzupracticiren.
Sie bewiesen dabei eine arge Widerspenstigkeit und wollten
trotz mehrfacher Aufforderung nicht hinein. Das Medium
musste sich an's Ciavier setzen, beide Füsse auf die Pedale
stellen und einige Läufe spielen. Das schien etwas auf die
Folgsamkeit der Geister einzuwirken. Dr. Müller: — „Geht
doch mal in's Ciavier!" — Die Klopfgeister wollen immer
noch nicht. Einige Herren legen das Ohr an das Instrument.
Noch immer nichis! — Dr. Müller (zu den Klopfgeistern):
— „Klopft mal hier an die Wandung des Claviers." —
Endlich schienen sich die Geister, wenn auch mit Widerstreben
, dazu zu bequemen, denn einer der Horcher an der
Ciavierwand rief plötzlich aus: — „Jetzt, jetzt! Man hört's
schwach!" — Das Medium wurde schliesslich an das andere
Ende des Saales geführt und auf einen Tisch gestellt. Auch
hier Hessen sich die Klopfgeister vernehmen, in Kastagnetten-
tönen u. s. w. Nun waren die Spiritisten entzückt, und noch
entzückter die Zweifler. Das Medium wurde schliesslich so
erschöpft, dass die Klopfgeister ihre Thätigkeit einstellten.
In einer Pause geleitete Dr. Müller das Medium, das als
„gnädige Frau" angeredet wurde, nach Hause; danach kam
er zurück und hielt noch einen Vortrag, indem er sich im
allgemeinen höchst befriedigt über die Sitzung aussprach.
Es ist schon sehr viel, dass die Geister sich trotz der fremden
Elemente derartig geäussert haben. Immerhin habe er die
Ueberzeugung, dass diese störend eingewirkt hätten. Dr. Müller
gab dann noch einige spiritistische Geschichten zum besten,
unter anderem, dass ihm neulich die Nonne Cordula, die um
451 gelebt hat, besucht und sehr freundlich angesprochen
habe. Bei einer Unterhaltung mit dem betreffenden Geist
habe ihm dieser mitgetheilt, dass im Herbste dasselbe
*) Dass die meisten Berliner Berichterstatter der Presse die
Sache immer noch als einen artigen Ulk ansehen, beweist auch
folgende Schlussbemerkung des „Börsen-Courier"-Correspondenten: —
„Nach dieser Bemerkung [des Herrn Dr. Müller] verliessen wir die
Versammlung mit dem Bewusstsein, dass das Wort: — 'die Geisterwelt
ist nicht verschlossen', unheimlich wahr sei, denn sonst könnten keine
Zeitungen hingelangen und die 'hpirits* durch solche Scherze verdriess-
lich machen." — Welch ein Trumphaus gegen die hinter den vermeintlich
gar wohl bewussten Medien versteckten Geister! —
Der Sekr. d. Red.
Psychische Studien. Juni 1896. 19
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