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292 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1896.)
Verlust, folgte ihm bald seine älteste Schwester Friederike,
deren vollendetes Bild der Jugend, Anmuth und Schönheit
noch vor meiner Seele schwebt. — Deshalb kann ich die
merkwürdigen Umstände, welche ihr Ende begleiteten, nicht
ganz unberührt lassen. Jch werde meinem Gottlieb bald
nachfolgen; er hat mir gerufen, sagte sie zu mir, selbst aber
meine Eltern dürfen es nicht wissen. Es geschah aber leider
bald, was sie ahndete. Nach einer schmerzlichen Krankheit
welkte auch sie zusehends dahin und sah ihr Lebensende
in der herrlichsten Blüthe, mit all^n Ansprüchen auf
das schönste Lebensglück, als Verlobte eines geliebten
Mannes, heiter und ruhig herannahen, Sie sagte auch einmal
zu ihrer Mutter: — 'Es ist keine Kleinigkeit, so frühe
von dem Leben zu scheiden, aber auch etwas Unaussprechliches
, wenn es der Seele so wohl wird/ — Eines Tages, als
man ihren Tod noch sehr entfernt glaubte, nahm sie feierlich
Abschied von ihren Lieben und Freunden, mit heiterer
Ruhe die um sie in Thränen zerfliessende Versammlung
noch tröstend. Noch rief sie nach einem kurzen Schlummer
aus: — Metz* habe ich auch von D. Abschied genommen',
— und dieser abwesende Freund schrieb, noch ehe er die
Nachricht von ihrem Tode haben konnte, sie sey ihm in
derselben Stunde erschienen und habe ihm freundlich die
Hand geboten. Den folgenden Tag wünschte sie noch eine
Musik zu hören, wozu das Lied: — ,Auferstehen, ja Auferstehen
', — gesungen werden musste, welches sie mit verklärtem
Blick und gefalteten Händen anhörte, worauf sie in der
folgenden Nacht sanft hinüberschlummerte." — (Anmerkung,
Friederike Stäudlin starb 1777; sie war die Schwester des
durch seine „Geschichte des Rationalismus" bekannten
Theologen Carl Friedrich Stäudlin und des Dichters Gotthold
Friedrich Stäudlin, der durch seine Rivalität mit Schiller in
den Jahren 1780—1782 gleichfalls weiter bekannt wurde;
den ungenannten Herausgeber der Bändchen und Verfasser
der „Vorerinnerung" lassen Stil und Charakter seiner
Schreibweise als einen durchaus glaubwürdigen Zeugen
erscheinen. „Gottlieb" ist ein anderer Bruder, „#." jedenfalls
der Verlobte. — Dr. ji. zu Winterthur in der Schweiz.)
Ar) L. Ein Gespenst machen. — In Dr. H. Schmid*
kunz' Werke — „Psychologie der Suggestion" — (Stuttgart,
1892) lesen wir auf Seite 151: — „Beim Thiere zeigt sich
noch deutlicher als beim Menschen, dass die hypnotische
Unfreiheit duich den Glauben an eine 'wirkliche' Unfreiheit
irgend welcher Art entsteht." — Als Beispiel wird dann
das Experiment mit der Taube [Czermak9sehen Andenkens]
besprochen, dem der Leser gewiss noch gar manche andere
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