http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0323
Dankmari Johannes Faust, der Schwarzkünstler.
313
Ebenso wie es nothwendig war, um das Leben und die
Thaten Johannes Faust's, dieses Collectivzauberers des
Mittelalters, zu begreifen, zuerst uns in den Geist der Zeiten,
in welchen er gelebt hat, zu versetzen, — ebenso drängt
sich uns jetzt, nachdem wir das Zauberwesen betrachtet,
die Frage auf: — Was trieb durch Jahrtausende hindurch
die bedeutendsten Geister dazu, zu „zaubern", in der Magie
den Schluszstein alles Könnens zu erblicken ? — Ich glaube,
es war der heisse Wunsch, nicht nur nach Geschaffenem,
sondern auch nach zu Schaffendem, es war der Trieb, frei
„schaffen" zu können, das titanenhafte Gefühl, es Gott
gleich zu thun, welches alle diese experimentirenden Adepten
beseelte. Den Magier beseelte der heisse Trieb, die Schranken
zwischen sich und der Gottheit niederzureissen, Theil zu
haben an der zeugenden Urkraft; wie es Paracelsus in
ebenso naiver, als bestimmter Weise ausdrückt: — »Der
Vater vermag alle Dinge durch seine Weisheit und Kunst.
Also sollen auch wir alle Dinge vermögen, nichts soll uns
widerstehen." — Wahrlich, keine bescheidene Unbescheiden-
heit! Die schöpferische Kraft des Menschen der Schöpferkraft
Gottes zu nähern, es Gott gleichthun, — das war's,
was den Magier antrieb, den „Stein der Weisen", die
„tinctura aurea" zu suchen, Elementargeister zu beschwören,
Chiromantie und Astrologie zu treiben und zum Schlüsse
zu schaffen: einen Menschen im Kleinen, den Homun-
culus, und als „Geheimniss über alle Geheimnisse", als
Blüthe der Magie: die Schöpfung einer Welt im Kleinen,
das Perpetuum mobile magnum. (Vortrefflich sind die
Betrachtungen, welche Dr. H. B. Schiridler über diesen
Gegenstand in: — „Der Aberglaube des Mittelalters"
V. Buch: — „Die Naturmagie" S. 147—205 anstellt.) Wer
kann nun sagen, wie weit sich diese Adepten dem heiss-
erstrebten Ziele, an das sie ein Leben gesetzt hatten,
näherten ? Wie gross ihre an's Dämonische grenzende Macht
war? Sagt doch ein Goethe, der ebenso gross als Denker,
denn als Dichter war, über das dämonisch Wirkende: ~
„Alle Philosophien und Eeligionen haben, prosaisch und
poetisch, dieses Räthsel zu lösen und die Sache schliesslich
abzuthun gesucht ... am furchtbarsten erscheint dies
Dämonische, wenn es in irgend einem Menschen überwiegend
hervortritt, . ♦ . eine ungeheuere Kraft geht von ihnen aus,
und sie üben eine unglaubliche Gewalt über alle Geschöpfe,
ja sogar über die Elemente, und wer kann sagen, wie weit
sich eine solche Wirkung erstrecken wird? ... sie sind
durch nichts zu überwinden, als durch das Universum selbst,
mit dem sie den Kampf begonnen." [Siehe Goethe: — „Wahrheit
Psychische Studien. Joli 1896. 21
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0323