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Kurze Notizen.
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dieselbe, als zuerst. Nichts hat sich verändert, niemand als
„Femme masquee" ist auf dem Podium anwesend. Kaum
aber ist die Flamme erloschen, da lässt sich plötzlich auf
dem Podium eine laute, tiefe Grabesstimme langsam und
dumpf, wie folgt vernehmen: — ,,Ihr habt mich oft verspottet
und gelästert; heute habt Ihr mich hervorgerufen,
und ich bin gekommen, um Euch zu sagen: — 'Spottet
nicht über Dinge, die Ihr noch nicht verstehen könnt. Ich
aber sage wie Christus: — Herr vergieb Ihnen; denn sie
wissen nicht, was sie thun!"--Ein eisiger Schauer lag
über den Versammelten, und Todtenstille herrschte ringsum.
Da Hess sich die dumpfe Geisterstimme zum zweiten Male
vernehmen: — „Ihr habt gelästert und gehöhnt; aber um
allen Zweifel zu beheben, will ich Euch jetzt einen deutlichen
Beweis unseres Daseins liefern." — In höchster
Spannung und Erregung sassen die Anwesenden nach dem,
was sie soeben mit eigenen Ohren gehört. Leider sollte
aber die interessante Sitzung hier einen jähen Abbruch
erleiden; denn man hörte ein leises Aufseufzen, und die
Stimme des Mediums sagte: — „Ich bin erwacht!u — Sofort
wurde Licht gemacht--das Medium sass noch an derselben
Stelle, wie vorher. Die Klopftöne hielten noch eine
Weile an, dann musste die Sitzung geschlossen werden, weil
jede Verbindung mit der Geisterwelt aufgehört hatte.
Am meisten bekümmert wegen dieses plötzlichen Abbruches
waren die Spiritisten selbst, allen voran das Medium,
Dr, Müller und Herr Schönherr. Doch alle Versuche, einen
neuen Verkehr mit den Geistern anzubahnen, blieben erfolglos
. — Dr. Müller gab nun in erzählender, ruhiger und
sachlicher Weise noch einige Aufklärungen über den
Spiritismus und widerlegte die Bedenken, welche in dem
Meissner'schen Artikel in der „StaatsbürgerZeitung" ausgesprochen
waren. Dann wurde auf Vorschlag des Herrn
Schönherr das Medium in einem Nebenraume von einem
unparteiischen Damen-Comite, bestehend aus Frau Thalwitzer,
Frau Baronin v. Negri und Frau ßedacteur Wilberg untersucht
und weder in den Strümpfen, noch in den Schuhen
irgend etwas entdeckt, was auf eine künstliche Hervorrufung
der Glockentöne u. s. w. schliessen liess. Bemerken wollen
wir noch, dass „femme masquee" eine Dame aus den besten
Gesellschaftskreisen ist, die nur deshalb eine Maske trägt,
um nicht von jedermann erkannt zu werden. — Ich selbst
bin durch das, was ich gesehen und gehört, zum halben
Spiritisten geworden.
/) Der „Wunderknabe" von Sievershausen
bildet seit längerer Zeit das Tagesgespräch in der dortigen
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