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356 Psychische Studien. XXIII, Jahrg. 7. Heft. (Juli 1896.)
weilten, apathischen, lebensüberdrüssigen Stimmung suchte
Ferdinand die Verbindung mit einer höheren
Welt, und der Sieger von Crefeld und Minden ergab sich
dem Spiritismus.*) Als in Eckernforde der sogenannte
Graf von Saint-Gerniain starb, der behauptete, schon
2000 Jahre zu leben und Christus und die Apostel noch
persönlich gekannt zu haben^**) widmeten die Braunschweiger
Zeitungen dem endlich Verklärten wenig schmeichelhafte
Nachrufe. Ferdinand aber warf, aufs empfindlichste berührt,
der Presse in einem Schreiben üble Nachrede vor und erklärte
seinen dahingeschiedenen Freund für einen vortrefflichen
und grossen Mann. Solche Abenteurer waren es,
welche den Schlachtendenker der Alliirten [Westphalen] aus
dem Herzen des alternden Prinzen verdrängt hatten. —
'Ich weiss nicht', — heisst es in einem zweiten jüngeren
Briefe Westphalen! % an seine Frau, — 'aber es will mich
bedünken, als ob der Zahn der Zeit mehr und mehr die
Bande zernagt, welche ihn ehemals so fest mit mir verknüpften
; was die betrifft, welche mich mit ihm verbinden,
so hoffe ich, sie ewig von allem Roste rein zu halten . .
In solcher zähen Niedersachsentreue ist Westphalen verharrt
bis an seinen Tod. Er war wie sein Herr, einfach und
bescheiden, streng gegen sich selbst, nachsichtig gegen
Andere, nur für die Ideen lebend, in deren Dienst er stand,
eine Natur von fleckenloser Reinheit. — 26 Jahre lebte der
Prinz Ferdinand auf Vechelde, ein lebendig Begrabener, er
erreichte ein Alter von 71 Jahren. . . . Westphalen, der
69 Jahre alt wurde, überlebte den Prinzen nur um wenige
Monate* Herr und Sekretär starben im Jahre 1792. Ihrer
beider Thaten gehören ebenso wie die Friedrich^ zu den
Grundsteinen, auf denen der stolze Bau des modernen
Deutschlands ruht." — Und da sollte ein durch reiche
Erfahrung so klug gewordener Mann, der doch einen
Westphalen zu finden und festzuhalten verstand, sich bei
Beurtheilung des Characters des Grafen von Saint-Germain
*) Aehnlich wie vor ihm Herzog Hans Adolf v. Plön (1671—1704)
s. „Psych. Stud." Mai-Heft 1896 S. 247 ff. Was diesen und den Volksglauben
über ihn betrifft, so können wir in der alten Magie bereits
den Glauben finden, dass Asklepiades, der berühmte Arzt von Samos,
den König Miihridates, der Patron d*>r Medicin, an seinen Hof berufen
wollte, Kräuter zu kennen behauptete, mit denen er Flüsse und Seen
austrocknen, Verschlossenes öffnen, feindliche Heere in die
Flucht schlagen könne u. a. m. (Vergl. „Das Ausland" Nr, 46 v.
14. November 1881.)
**) Man vgl. über ihn „Psych. Stud." Februar-Heft 1882 S. 91 ff.;
1884 S. 540 ff., 1885 S. 480 ff., December-Heft 1887 S. 530 ff, —
0er Sekr. d. Red.
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