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Wittig: Parallelfälle zu dein nächtlichen Schreckgespenst etc. 381
„Wenn am frühen Morgen der Landmann ausgeht zu
seiner Arbeit auf stiller Flur, oder mit Einbruch der
Abenddämmerung von derselben heimwärts zieht, dann
steigen oft wallende Nebel auf vom Bachbett im Grunde
und weben ihre geheimnissvollen Schleier um Feld und
Wiese. Der Landmann aber treibt seine Thiere zur Eile;
denn er weiss, es ist hier im einsamen Grunde nicht recht
geheuer, und das Murmeln der Wellen unter dem nebeldüsteren
Gesträuch ruft in seiner Seele die Erinnerung an
die Sage vom Schmied im Weissbachthale wach.
Schwirren aus der Tiefe desselben leuchtende Johanniskäfer
empor, so meint er, sprühende Funken zu erblicken;
flammt wohl gar ein Irrlicht aus dem sumpfigen Ufergelände
auf, so wird die Täuschung vollkommen, und seine erhitzte
Einbildungskraft lässt ihn im Klange der Wellen, die am
Ufer sich brechen oder das Gestein plätschernd überspringen,
den hallenden Hammerschlag des gespenstischen
Schmiedes erkennen.*) Er weiss es ja aus den Erzählungen
seiner Eltern, seiner Kindermuhme und seiner Gespielen,
dass in sommerlicher Zeit vom Einbrüche der Dämmerung
bis um 1 Uhr nach Mitternacht hier der gespenstische
Schmied umgeht, dem es vergönnt ist, um diese Zeit sein
Grab auf dem Schönauer Hutberge zu verlassen, um
Lebende zu necken und zu schrecken.**) Wer der Schmied
eigentlich sei, welcher Umstand ihn verdammt hat, ruhelos
umherzuirren, bald als kugeliges, sprühendes Licht, bald als
*) Ich brauche wohl meinen Lesern nicht erst des Weiteren auseinanderzusetzen
, dass obige echt rationalistische Erklärung des Herrn
P. Kruschwitz weder mit den umher schwirrenden leuchtenden Johanniskäfern
(denn die kennt wohl jeder Gebirgsbewohner zur Genüge!)
gleich Schmiedefunken, noch mit dem plätschernden Klange der Bachwellen
gleich hallenden Hammerschlägen der realen Wirklichkeit solcher
Vorgänge entsprechen kann. Ich verweise wegen des wirklichen
Aufsprühens und Umherflfegens von Funken einfach zurück auf mein
„Psych. Stud." Mai-Heft 1892 S. 204 ff. geschildertes Erlebniss in
Gemeinschaft mit meiner seligen Mutter im Jahre 1852 am Fusse des
Jarischauer Bergrückens bei Striegau (vergl. die Generalstabskarte
dieser Gegend in „Psych. Stud." August-Heft 1895 S. 344ff.), woselbst
die Flammen wie aus einem Schmiedegebläse violett-gelb der Erde
entstiegen und dann in Gestalt eines feurigen Mannes mit einer hellgelb
hin und her schwankenden Laterne sich fortbewegten. Gehört habe
ich dabei nichts; aber plätschernde Bachwellen können doch wohl
niemals als Hammerschläge vernommen werden. —
Der Referent Gr. €. Wütig.
**) Und das, als ob nach 1 Uhr Nachts die Bachwellen nicht
ruhig weiter plätscherten und alsdann die Gehörs-Hallucination eines
hämmernden Schmiedes nicht beständig fortdauern müsste! — Es
liegen eben diesen angeblichen Sagen wirkliche und ganz bestimmte,
noch unerklärte Vorgänge und Erscheinungen des Seeleniebens zu
Grunde. — Der Eeferent.
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