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Buttenstedt: Zum Käthsel des Daseins
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denkbar, als dass sie sich ergänzen muss aus dem Stoff, der
überall vorhanden ist, und das ist eben der Weltäther;
dieser wird wahrscheinlich durch belebendes Feuer gehn
und strahlt dann in den Eaum hinaus, und so bleibt dieser
mechanische Vorgang ein Kreislauf, ein Nehmen aus dem
Weltäther und ein Geben an den Weltkörper.
Weltäther wird daher ruhende, der „grosse Odem" aber
bewegte Schöpferkraft sein. — Wie es aber draussen im
Weltall ist, so ist's auch drinnen bei uns im Menschen;
auch unser elastisches Körpermaterial ist unsere ruhende
Schöpferkraft, und unser Wille ist die aktive, bewegliche
Schöpferkraft, — die Elasticität in unseren Körperstoffen
ist das Erhaltende, unser Wille das Belebende in uns.
Denn die Elasticität strebt stets nach Erhaltung des
Ruhezustandes; sie will in ungespannter Lage verharren,
und wo das nicbt der Fall ist, — wo sie aus dieser Ruhelage
verdrängt ist, da drückt sie unaufhörlich so lange gegen
den Störenfried, bis sie keine Kraft mehr, also ihre Ruhelage
wiedergefunden hat. — Dies sieht man, wie schon früher
hervorgehoben, an der Uhrfeder, welche so lange gegen das
Räderwerk drückt, bis sie ihre Ruhe wieder erlangt hat.
Wie nun die Mechanik der Uhr auf Störung der
elastischen Ruhe des Materials und der versuchten Wiederherstellung
der Ruhe sich gründet, so ruht die Mechanik
des Weltganzen, das Kreisen wie Rotiren der Himmelskörper,
das schwebende Bewegen der Vögel, der Verdauungsprozess
und Lebensprozess aller Lebewesen, die Heilung von Wunden
und Krankheiten u. s. w., Alles, was Bewegung in der Natur
heisst, auf Störung und versuchter Wiederherstellung des
elastischen Gleichgewichts des Materials oder Stoffes, —
jede Bewegung ist also in letzter Linie nur zurückgegebene
Kraftäusserung seitens elastischer Entspannungskraft, welche
vorher durch willkürliche Kraft aufgespeichert war. — Wir
haben es also hinsichtlich der Erhaltung unseres Daseins
und physischen Lebens stets mit Erhaltung unwillkürlicher
Hesse sich mit etwas in einer wenn auch noch so grossen Masse
begrenzt Vorhandenem, wie der Weltäther doch nach obiger Voraussetzung
sein müsste, gar nicht weiter und bestimmt rechnen, weil er
doch beliebig oder nach Bedarf der göttlichen Schöpferkraft vermehrt
werden könnte. Es fände alsdann nicht blos ein Kreislauf statt,
sondern eine stete Vorwärtsbewegung in unendlicher Schraubenlinie.
In den engbegtenzten Verhältnissen der Organismen mag alles
Folgende theilweise Geltung haben, aber nicht in Bezug auf die aus
der göttlichen Schöpferkraft hervorgegangene begeistete Seele des
Menschen. Sie wird niemals vom Körper ganz resorbirt werden, kein
blosses Echo, oder ein blosser Spiegelreflex seiner Thätigkeits-
Spannungen sein. Das wäre ja der purste Materialismus! —
Der Sekr. d. Red.
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