http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0419
Wittig: Leuchtende Bäume als Visions-Erreger u. im Regenbogen. 409
Hart an dem Wege, auf dem ich ging, stand mir zur
Linken auf einem grünen, diamantenfunkelnden Kleefelde
der eine rechte Schenkel eines im noch fortdauernden Regen
hinter mir aufgestiegenen, ganz querstehenden, prächtigen
Regen bogens, während der andere linke Schenkel desselben
auf einer weit entfernten bewaldeten Bergwand ruhte, auf
der das uralte Zeiskenschloss oder Ozeschhaus seit 1634
in Trümmern liegt.*) Wie electrisirt sprang ich vom Wege
ab mitten in die glänzende Farbensäule hinein und hielt
mich nun persönlich gleichsam gefeit und verzaubert gegen
alles böse Ungemach! Diese Idee kam mir urplötzlich,
weil mein Vater kurz vorher beim „Striegauer Leuchter"
geäussert hatte, man müsse in etwas so Brennendes oder
Leuchtendes Stein und Stahl, ein Messer oder sonst etwas
hineinwerfen, um den daselbst verborgenen Schatz zu bannen.
Da ich nichts Entbehrliches bei mir hatte, sprang ich im
Vertrauen auf die selbst biblische Glücksverheissung des
Regenbogens lieber körperlich in seine Strahlensäule hinein,
während es rückwärts meines Weges noch immer gewaltig
blitzte und donnerte. Ich erinnerte mich dabei eines täglich
im Abendgebete meines Vaters vorkommenden Liederverses
: —
nicht um ein Haar vernünftiger ist, als wenn das Kind dem Punkte
zuläuft, wo der Kegenbogen aufsteht . . — Nun, ich bin diesem
Punkte wirklich nicht bloss zu-, sondern in denselben hineingelaufen
und habe mich in ihm etwa eine Minute lang umherbewegt.
*) Es soll die Stammburg der in Sachsen noch blühenden Familie
von Zeschau sein (vgl. „Psych. Stud." Novbr.-Heft 1885 S. 183, Note).
Seit 1830 gehörte es dem Königlichen Landrath Grafen von Zielen auf
Adelsbach, dem, wie ich später in meinem Artikel: — „Weiteres
Spuk- und Käthselhaftes" — nach der Mittheilung meines seligen
Vaters, der auf seiner Wanderschaft 1827 und später in Bad Altwasser
als Meister i. J. 1840 diesem umherreitenden Herrn oft begegnet war,
etwas ausführlicher berichten und beglaubigen werde, von einem
„Tambour eine schreckliche Krankheit „angehext" worden sein soll.
— Nach einer alten Sage, — welche in Müllems „Vaterl. Bildern, oder
Gesch. und Beschr. sämmtl. Burgen und Ritterschlösser* Schlesiens"
(2. Ausg. Glogau, Carl Memming, 1844, S. 18) steht, — sollen sich
unweit dieser Burg, im sogenannten Liskateiche, bisweilen gespenstige
Weibsbilder, besonders dieZes&a, baden, ihre Kleider
waschen und solche auf den, diesen Teich umschattenden Gesträuchen
zum Trocknen aufhängen Aber wehe Demjenigen (so erzählen sonst
die Führer), <*ar das Unglück habe, gerade zu dieser Zeit hierher zu
kommen; denn ein nackendes Mädchen —• tugendhaft und züchtig,
wie ihr Zeitalter, — könne eine solche Unbill nicht ertragen und
räche sich, besonders an Männern, fürchterlich! — Wer eigentlich
diese Liska gewesen sei, ist nicht bekannt. (Man vgl. hierzu den Bericht
in meinen „ParalleHäilen" XVI, s. vorliegendes August-Heft S. 381 ff.
über die Lausitzer Sage vom „Schmiede an der Weissbach".) —
Psychische Studien August 1896. 27
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0419