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422 Psychische Studien, XXIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1896.)
gestellte das Phantom, im Wahne, dass es ein Mensch sei,
öfters grüsste, ohne je Antwort zu erhalten. Ueberhaupt
seheint es nur für sensitive Augen sichtbar gewesen zu sein,
denn mehrfach sind ihm gleichzeitig zwei Personen begegnet,
von denen nur eine etwas sah, die andere nicht. — Ich
werde mir aber jedenfalls die Mühe nehmen, wenn ich
15. Juli für längere Zeit nach Hause komme, über diese
Angelegenheit persönlich nachzuforschen und Ihnen dann
Bescheid geben, ob das Phantom noch heute und auch
meinen jedenfalls sensitiven Augen sichtbar ist. Ich glaube
übrigens kaum, dass diese unbedeutende Spukgeschichte
für Sie Bedeutung haben wird; doch bitte ich Sie, falls es
doch der Fall wäre, Namen, auch den der betreffenden
Stadt, und eingeklammerte Worte nur mit den Anfangsbuchstaben
zu bezeichnen, denn obwohl ich für meine Quelle
einstehen kann, könnten doch eventuell Schäden für
benanntes Grundstück entstehen; denn derartige Gespenstergeschichten
sind heute nicht allen Leuten angenehm. — Ich
habe übrigens noch etwas ähnliches für Sie, nämlich eine
Spukgeschichte, die sich nach circa hundert Jahren erst
aufgeklärt hat; doch muss ich mich vorerst nochmals darüber
orientiren. — Doch nun zum Schluss noch besten Dank für
Ilne liebenswürdige Karte; möge Ihnen Ihre .Reise recht
gut bekommen sein, und verbleibe ich mit hochachtungsvollem
Grusse Ihr Ihnen ganz ergebener 2*1 W.
k) — Paris, 26. Juni. — Zeichen und Wunder
überall. — Hier in der Hauptstadt ist ein böser Geist
incognito als Erzengel Gabriel bei Fräulein Couedon in der
Paradiesstrasse abgestiegen, in Tilly-sur-Seulles ist die
Gottesmutter neben blutigen Häuptern und Feuerkugeln von
Tausenden Personen gesehen worden, und neuerdings treibt
in Valence-en-Brie ein grober Unhold sein Wesen. Er nennt
sich selbst Prinz Visky, will aus einer hohen russischen
Familie stammen und behauptet, in Marseille zu wohnen.
Trotzdem bringt er es fertig, zu gleicher Zeit ein Haus in
Valence-en-Brie zu belästigen. Er stürzt dort die Möbel
um, zerschmettert Fensterscheiben und ergeht sich den
Hausbewohnern gegenüber in unfläthigen Redensarten. Sein
erstes Auftreten fand im Keller statt, wo er der Dienstmagd
das Licht ausblies. Valence ist aber seitdem ein
berühmter Ort geworden; das Haus wird von Besuchern
nicht leer; Zeitungsberichterstatter wallfahren dahin, und
schon hat auch eine polizeiliche Untersuchung dort stattgefunden
. Leider, wie es immer geht, pflegt der Kobold
zu schweigen und in Marseille zu bleiben, so oft Obrigkeit
und Presse nach ihm fahnden. Die Polizei ist ihrerseits
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