http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0463
Wittig: Hanslick über Bastian, den österr. Kronprinzen etc. 453
Meyerling. Die trostlose, verzweifelte Aufregung, die sich
nun der ganzen Bevölkerung bemächtigte und Tage lang
anhielt, ist nicht zu beschreiben. Ich habe in Wien
traurigste Katastrophen erlebt: — Revolutionen, unglückliche
Feldzüge, verlorene Provinzen, mörderische Verheerungen
durch Wasser und Feuer: — nichts von alledem,
was diesem grauenvollen 30. Januar entfernt zu vergleichen.
Der letzte tiefe Seelengrund, aus welchem der unglückliche
Wahn des Kronprinzen erwuchs, wird wohl nie erforscht,
kaum auch nur gemuthmaasst werden. Ueber der Tragödie
von Meyerling liegt ein ewiger [?] Schleier. — Das Leben
ist unwahrscheinlicher und grausamer in seinen Erfindungen
als der verwegenste Romandichter. Wann haben wir drei
so furchtbare Tragödien hinter einander erlebt wie den
Selbstmord [?] des Königs Ludwig von Bayern (J886), das
Siechthum und den Tod Kaiser Friedrich^ (1888) und (1889)
das Ende des Kronprinzen Rudolf i\" —
So lautet Herrn Hanslick\ Sachdarstellung, die wir
nach dem subjectiven Glauben und Meinen seiner Ueber-
lieferer, wie nach seinem eigenen, über diese angebliche
Entlarvung Bastian^ nicht anders erwarten können, uns aber
vom objectiveren Wirklichkeitsstandpunkte des Spiritismus
aus in den meisten seiner unbewiesenen Behauptungen durch
eingeschaltete [?] anzuzweifeln gestatten. Denn wir haben
bereits in den „Psych. Stud." des Jahres 1884 eine wesentlich
andere Sachdarstellung von den eigentlichen Vorgängen
zu geben versucht, welche wir unsere Leser jetzt, nachdem
zwölf Jahre vorüber gegangen und die neueren Aufklärungen
des Herrn Herausgebers der „Psychischen Studien" in dem
21. Jahrgange 1894 über — „Ein epochemachendes Phänomen
im Gebiete der Materialisationen" — in allen ihren Fortsetzungen
erschienen sind, gefälligst nachzulesen bitten, um
die erforderlichen Vergleiche zu ziehen und einen Einblick
in die Verwickelungen eines Problems zu finden, das nicht
für Jedermann, geschweige selbst für einen Kronprinzen
und noch so vorurtheilslos sein wollenden Erzherzog, in
seinen tieferen Beziehungen sofort zu Tage lag und so gar
leicht zu enträthseln war, umsoweniger, als beide hohe
Herren von der vorgefassten Betrugstheorie ausgingen. Man
hat Bastian nicht nach seiner Eigenart richtig beobachtet
und deshalb auch nicht richtig beurtheilt. Das Vorgehen
dieser hohen Personen hat trotz ihrer vermeintlichen und
öffentlich als solche erklärten Entlarvung dem „Spiritismus"
nicht im mindesten geschadet, sondern vielmehr die Aufmerksamkeit
mancher Erforscher des vielfach noch räthsel-
haften Seelenlebens unserer Medien erst auf dergleichen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0463