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Kurze Notizen, 46^
d) Auf dem „ Anthropologen-Congress zu
S p e i e r " sprach am 4. August er. Baron v. Andrian-Werburg
(Wien) über Wortaberglauben. Bei allen Naturvölkern
und bis in die Kulturvölker hinein findet sich der Glaube
an die übernatürliche Kraft des Wortes; sogar die Religionen
sind davon nicht frei geblieben. Im Vintschgau suchte man
die Wölfe durch Verlesen des Evangeliums Johannis zu
vertreiben; in Tibet verschluckt man Papierstreifen, die mit
Zaubersprüchen beschrieben sind. Ein besonderer Aberglaube
verknüpft sich mit den Personennamen. Die Bräuche bei
der Namengebung sind äusserst mannigfaltig, und bei vielen
Naturvölkern gilt der Name gewissermaassen als wirklicher
Bestandtheil des Menschen, den man nicht schädigen darf,
ohne den Menschen selbst (im materiellen Sinne) zu schädigen.
Der Ostgrönländer sagt: — der Mensch besteht aus dem
Körper, der Seele und dem Namen, und sehr allgemein ist
die Vorstellung, dass man Jemanden in der Gewalt habe,
wenn man seinen Namen weiss. Nicht nur die Medizinmänner
der Wilden, sondern auch die Schäfer in Frankreich kuriren * *
Kranke aus sehr grosser Entfernung, wenn sie nur deren
Namen wissen, und sehr verbreitet ist deshalb die Sitte,
seinen Namen zu verschweigen, um sich nicht Anderen in
die Hände zu geben. Persische Könige Hessen ihre Kinder
überhaupt ohne Namen aufwachsen und gaben ihnen erst
einen Namen, wenn sie gross und stark genug waren, sich
vor den befürchteten Gefahren selbst zu schützen. Noch
heute ist auch bei Kulturvölkern der Brauch vorzufinden,
dass man kleine Kinder nicht beim Namen nennt, ihre Namen
sogar geheim hält. Ebenso wird vermieden, die Namen
Todter zu nennen, weil man fürchtet, damit ihre Geister
heraufzubeschwören und ihnen die Grabesruhe zu rauben.
In Dänemark, auch in Theilen Deutschlands, spricht man
zu gewissen Jahreszeiten die Namen schädlicher Thiere oder
die Namen von Krankheiten nicht aus. (1. Beiblatt der
„Berliner Neuesten Nachrichten" 16. Jahrg., Nr. 3G5 vom
6. August er.) — Wir können hierzu noch auf die uralten
Beschwörungsformeln im 6. und 7. Buch Mosis und
anderen Zauberbüchern mit den verschiedenen Anrufungen
und Gottesnamen, sowie auf die sogen. Besprechungen
unter Gebetsformeln verweisen, welche im Glauben der Ausübenden
und des Volkes erst die richtige Wirkung sichern.
Der Sekr. d. Eed.
e) Der sogenannte Wunderdoctor Majervski,
der in Karlsruhe von Januar bis April einen ausserordentlichen
Zulauf hatte, stand dieser Tage vor der dortigen
Strafkammer, um sich wegen Führung eines falschen Namens,
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