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474 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 10. Heft. (October 1896.)
war. — „Das ist Pepi.a — „O, ist das PepiV6 — Ich blickte
zurück auf die hübsche Gestalt, die sorglos am Thorpfosten
lehnte und kleine Ringe von Rauch über seinen Kopf
hinweg blies zur Belustigung der Dirnen, die ihn bewundernd
beobachteten. Der Klang ihres leisen Gekichers erreichte
uns so lange, bis wir um die Ecke bogen und die Gruppe
sich unseren Augen und Ohren entzog.
Pepi war Soldat. Er war schon anderthalb Jahre
Soldat gewesen, und jetzt zum Pfingst-Sonntag hatte er
drei ganze Tage Urlaub. Kein Wunder, dass es da extra
Vergnügungen im Dorfe gab. Es galt etwas, Pepi daheim
zu haben. Der Spass war gar kein Spass, wenn er nicht
mit dabei war, ihn auszuführen.
Es gab da keinen Gemsenjäger, der sich der gleichen
Kühnheit rühmen konnte, wie Pepi. Als er kaum achtzehn
Jahre alt war, hatte er ja von der Zugspitze schot drei
der feinsten Thiere herab gebracht ? welche andere Jäger
Tage lang verfolgt hatten. Und vom Edelweiss wusste
Niemand so gut, wo es wuchs, wie Pepi, und selbst wenn sie
es gewusst hätten, so wagte Keiner so viel Gefahr, um es
zu pflücken. Wo eine Gemse noch einen Fusshait gewinnen
konnte, da gab es auch einen solchen für Pepi. Niemand
kannte die Berge, wie Pepi sie kannte. Keiner hatte die
Augen so scharf und die Füsse so sicher, wie er. Keiner
jodelte so lang gedehnt oder so musikalisch. Er pflegte
sich, als er noch ein kleiner Bursche war, mit seiner
Ziegenlieerde bis zur Weide auf den grünen Abhängen
hinauf zu bemühen, und die Besucher der Alpendörfer
streiften umher, um seiner durch das rückhallende Echo in
der klaren funkelnden Luft erzeugten, so angenehmen und
seltsamen Musik zu lauschen.
Was das Tanzen betrifft, so gab es keinen Burschen
in einem Dutzend von Dörfern umher, welcher den „Schuh-
plattl" so tanzen konnte, wie Pepi. Wenn der Klang seiner
hölzernen Schuhe auf dem Fussboden vernommen wurde
und der schrille Jauchzer und das Klatschen der Hände
auf den Schenkeln begann, dann eilten die Mädchen und
Knaben, die Männer und Frauen, alt und jung, herbei,
um ihn zu sehen, ihm Beifall zu klatschen und ihn zu
bewundern, und um sich schliesslich mit ihm zu vereinigen
in dem sonderbaren wilden Tanze; mit Hüpfen, Wirbeln,
Händeklatschen auf den Schenkeln, den Schuhen, mit
sonderbaren Juchzern, mit Sichducken, Anhalten, Drehen,
Wenden, dann mit einem Sprunge, einem Fussaufstampfen,
einem raubvogelgleichen Schrei und mitten unter Lachsalven
und keuchenden Ausrufen seiner Partner pflegte Pepi
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