http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0534
524 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 10. Heft. (October 1896.)
nachkommen, Ihnen den seiner Zeit erwähnten Fall*) zu
übermitteln; eine Sage, die sich gewissermaassen erfüllt
hat. Der Schauplatz des Nachstehenden ist Hildesheim,
von dessen Galgenberg schon seit alter Zeit die Sage gegangen
ist, dass er das Versteck grosser Schätze sei. Also kommt
da eines Tages zur Grossmutter, der schon früher (August-
Heft 1896 S. 421) erwähnten Frau E.9 ein Bauer, der ihr
jede Woche die Butter vom Lande brachte, und erzählt,
dass ihm in der Nähe des Galgenberges am hellen Tage
zwei Nonnen begegnet seien, die ihn bedeutet hätten,
mitzugehen, was er aber nicht gethan habe. Aber als er
auch auf Zureden der Frau E. bei einem späteren nochmaligen
Erscheinen der Nonnen nicht mitgegangen war,
hörte er die eine der Gestalten im Vorübergehen sagen,
dass sie nun noch hundert Jahre der Ruhe entbehren
müssten. — Dies ereignete sich ca. 1770—1775, und in den
siebziger Jahren unseres Jahrhunderts ging durch ein
Hildesheimer Blatt und andere Zeitungen die Nachricht,
dass man am Galgenberge von Hildesheim goldene und
silberne Gefässe u. s. w. gefunden habe, deren Form unzweifelhaft
auf ein Kloster als Ursprung hinwies.
Einen weiteren interessanten Fall, und zwar von
Scheingeräuschen, den die schon oft erwähnte Frau
E. selbst erlebt hat, möchte ich Ihnen mittheilen. Die
genannte Dame erzählte mir ungefähr, wie folgt: —
„Vor circa zwanzig Jahren wohnte ich in Gross-Graupen
bei Pirna auf Sommerlogis; des schönen Wetters wegen
dehnte ich aber meinen Aufenthalt bis in den Herbst hinein
aus. Ich wohnte in einem vom Dorfe abgelegenen, einstöckigen
Hause. Das Parterre bowohnte der Wirth, während ich mit
meinen Kindern den ersten Stock inne hatte, darüber war
der Boden. An einem Herbstabend war nun eine junge
Dame bei mir, der ich Unterricht in Handarbeiten gab. Es
mochte so gegen 9 Uhr sein, wir waren fleissig bei der
Arbeit, als auf einmal auf dem Boden ein furchtbares Gepolter
los ging, und wir glaubten, die an der Decke des
Bodens aufgehangenen Kürbisse seien herunter gefallen.
Infolge der heftigen Erschütterung sprangen sogar die
Fensterflügel in meiner Stube auf. Kurz darauf ging die
junge Dame, die ich zum Hause hinaus geleitete» Ich war
aber kaum in meinem Zimmer, als es wieder anfing zu
lärmen, und zwar stürzten diesmal Sensen, Rechen, Schaufeln
und andere Gartengeräthe krachend die Treppe vom Boden
*) Vergl. „Psych. Stud.« August-Heft 1896 S. 422. -
Der Sekr. d. Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0534