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554 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1896.)
Moorboden locken, unter dem grausiger Tod lauert. Die
bereits geschilderten Flammen zeigen sich dagegen vorzugsweise
auf trockenen Anhöhen und erheben sich sprungweise
bis in die Spitzen der Bäume, sind auch in Farbe und
Grösse gänzlich von den Irrwischen verschieden.
„Es ist meine Ueberzeugung, dass sämmtliche bisher zur
Nachtzeit erblickte Lichter, die nicht aus menschlichen
Heimstätten durch die stille Nacht glänzten, oder von
Feuern herrührten, die im Walde entzündet wurden, in das
Gebiet der electrischen Erscheinungen gehören; in dieser
Ueberzeugung wurde ich nicht nur durch eigene Anschauung
bestärkt, sondern auch durch die Beobachtungen, die der
Wirth des Hospizes auf dem Schafberge, jenem berühmten
Aussichtspunkt im Salzkammergut, während eines heftigen
Gewitters machte. . . [folgt Schilderung eines St Elmsfeuers.]
„In Johnsdoif bei Spiller im schlesischen Riesengebirge
machte der Gutsbesitzer T. eine interessante Beobachtung,
die Professor Dr. Reimann in der Berliner ^Meteorologischen
Zeitschrift' mittheilte. Herr T. ritt eines Abends im März
in der achten Stunde den Gutsweg entlang; als er auf eine
Anhöhe gelangt war, wurde die Umgebung des Kopfes des
Pferdes hell, und die Ohrenspitzen fingen an zu flimmern;
auch, der Pelzkragen des Reiters begann zu leuchten; das
Leuchten wurde immer stärker und in Folge dessen das
Pferd unruhig. Der Reiter musste abspringen und sein
Thier am Zügel führen; da bemerkte er, dass das ganze
Pferd Electricität ausstoahlte; jedes vorstehende Haar
flimmerte, die Ohren, die Augenbrauen und jedes abstehende
Haar an Nase, Hals und Brust; das verbreitete Licht war
so stark, dass Herr J, seinen Schatten wahrnehmen konnte,
nachdem die Erscheinung zehn Minuten gedauert hatte,
brach ein mit Schnee vermischter Regenschauer los. Dass
in gewitterschwülen Nächten an den Spitzen der Schiffs-
maste, an den Wetterfahnen und metallenen Kreuzen der
Kirchthürme, sowie an den Wipfeln der Tannen und
Lärchenbäume sich häufig zuckende und leuchtende Flammen
zeigen, ist allgemein bekannt; weniger bekannt ist, dass die
St. Elmsfeuer bisweilen die Zweige an den Bäumen von
Alleen so dicht umsäumen, wie die bunten Lichter an den
Weihnachtstannen; ja sie hüpfen sogar[?] auf dem Moose
im Walde umher, grossen Johanniswürmchen gleichend, und
vielleicht hat dieser Umstand zum Glauben an die Irrlichter
beigetragen. Noch sei erwähnt, dass ich aus meiner
Jugendzeit die deutliche Erinnerung bewahrt habe, wie
während eines äusserst heftigen Gewitters auf der schlammigen
Entenpfütze im Gutshofe meines Onkels kleine gelbliche
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