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556 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1896.)
legen; denn lediglich mit dem Artikel als Ganzes, als
Ausdrueksform einer bestimmten Anschauung, möchte ich
es hier zu thun haben. Die physikalische Existenzberechtigung
der Hypothese selbst zu untersuchen, muss dem Physik-
Philosophen von Fach überlassen werden. Ich habe nur
die philosophischen Folgerungen im Auge, die sicli dem
Herrn Verfasser aus seiner Hypothese zu ergeben scheinen;
die Tragweite der Hypothese, ihren Beitrag zur Förderung
unserer Sache zu taxiren. Und da muss ich denn gleich
von vornherein meinen Zweifel ausdrücken, dass überhaupt
eine philosophische Hypothese im Stande sein könnte, einen
neuen Weg zum Thore des Mysteriums uns aufzuschliessen.
„Wir brauchen ThatSachen und eine auf Thatsachen
gegründete Philosophie.*' Der simpl«jste Laie, dem es
gelingt, oder der das Glück hat, einen Identitätsbeweis zu
erbringen, der nicht mehr aufzulösen ist, würcb> mehr gethan
haben für die Erneuerung der Philosophie, als der grosse
Reformator der Philosophie, der von dem Voraussetzungssatz
ausging: — „Ich denke, darum bin ich."— Wodurch
ich aber um Himmelswillen nicht einer Geringschätzung
der Philosophie selbst und ihrer wissenschaftlichen Ver-
werthung der Thatsachen das Wort geredet haben möchte.
Ich will nur kennzeichnen, ,,was Moth thut." Sagen doch
selbst unsere Philosophen: — „Theoretische Erörterungen
sind elastisch." — Die Fassung: — „Kraft kann Materie
latent enthalten", — ist ja wohl schliesslich eine eben solche
Spielerei mit Worten, bei denen sich doch, ehrlich gestanden,
eben so wenig denken lässt, als bei dem berühmten Lehrsatz
: — ,,Die Materie besteht aus Kraft, die durch Kraft
bewegt wird." — Die Leistung dieser Sätze für unser
wirkliches Erkennen ist am Ende nicht grösser, als die
Definition, mit der sich bekanntlich die Bauern mit etwas
Unerklärlichem abfinden: — »Nu, es is halt su wos!"
Schon in der Ueberschrift zu seiner Ausführung geräth
der Herr Verfasser in einen fundamentalen Irrthum. Er
betitelt sie — „Veisueh einer natürlichen Erklärung."
Wenn er dabei von der Meinung ausging, dass wir eine
„übernatürliche" Etklärung occulter Phänomene fordern.
— und aus der Fassung eines späteren Satzes geht dies
unzweifelhaft hervor, — so zeigt er, dass er ganz im Unklaren
ist über die Anschauungswelt eines Oeeultisten. Die
Behauptung, mit der einmal eine spiritistische Sitzung, der
ich beiwohnte, von den „Geistern" eingeleitet wurde: —
„Alles geschieht gemäss den Naturgesetzen", — ist bei allen
unseren Untersuchungen und Aufstellungen Voraussetzungssatz
. Das ist ja eben der Grundirrthum der officiellen
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