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562 Psychische Studien. XXllI. Jakrg. U. Heft. (No?ember 18Ö6.)
Davon, dass der Angeklagte diesem Zeugen gesagt
haben soll , er habe das Recht zum Geisteraustreiben, weil
er am königlichen Hofe in Stuttgart den Geist einer Gräfin
erlöst habe, will derselbe heute nichts mehr wissen, weil es
schon vier bis fünf Jahre her sei. Der Angeklagte selbst
versichert, „am königlichen Hofe noch nie beschäftigt gewesen
zu sein." — In einem anderen Fall, wo er gleichfalls in
Eningen wegen einer Kuh, die schlechten Rahm gab,
konsultirt wurde, hatte er erklärt, die Kuh gebe „schwarze
Milch", weil sie behext sei, und angeordnet, man solle etwas
vom Rahm in einen Hafen thun, mit Menschenkoth zudecken,
drei Tage lang im Stall vergraben und dann das Ganze in
den Abtritt werfen. Auch habe er auf den Futtersack
geheime Zeichen gemacht und gesagt, die erste Person, die
etwas entlehne, sei die Hexe; als kurz nachher ein benachbarter
Fuhrmann einen Gaul holte, habe es geheissen,
das sei der „Hexenmeister". — Eine 59 jährige Wittwe aus
Würtingen erzählt, ihr verstorbener Mann habe vor 14 oder
15 Jahren den Angeklagten zu einem kranken Stück Vieh
kommen lassen; derselbe habe im Stall mit dem Ochsen
gebetet und ihren Mann angewiesen, Nachts auf dem
Kirchhof ein Brett von einem alten Sarg zu holen. Der
Angeklagte habe hierauf einer von ihm gemachten Form
aus Lehm, die wie ein Kind aussah, das Herz mit einem
Nagel durchbohrt, die Puppe so auf dem Brett befestigt
und dann unter ein Mostfass gelegt, damit die Hexe kaput
werde. [Diese Manipulation wäre also der von den französischen
Occultisten „envoütement" genannte „Bildzauber,"*) wobei
die das „maleficium" ausübende Person dasselbe empfinden
soll, was an ibrem Ebenbild vorgenommen wird.] Als diese
Zeugin einen in ihre Dungstätte verkehrt hineingesteckten
Besen entfernen wollte, habe ihr Mann gesagt, der „Belsener"
habe es so angeordnet, damit die Hexe „anlaufe". Der Angeklagte
will sich an nichts derartiges mehr erinnern und meint,
solches Zeug müsste er selbst erst von den alten Weibern
lernen, in seinen Büchern habe er nichts davon gelesen.
Er sei immer nur auf wiederholte Aufforderung zu den
Leuten gekommen und habe keine Bezahlung verlangt,
dieselbe sei ihi/i aufgedrungen worden, weshalb der Ver-
theidiger bemerkt, die Dummheit und der Aberglaube des
Volkes sei ihm offenbar entgegengekommen. Der Angeklagte
behauptet, seine geheime Wissenschaft dem „Buche der
Geister" entlehnt zu haben; dort stehe zu lesen, dass auch
•) Vergl. „Psych. Stud." Juli-Heft 1893 S. 321 ff.: — „Ueber-
tragung der Sensibilität und Bilderzauber." — Der Sekr. d. Eed.
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