http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0588
578 Psychische Studien. XXIII. Jahrg, 11. Heft. (November 1896.)
Nichterkennen w o 11 e n als das Nichterkennen können gewaltet
9 sei nicht in dem Sinne eine Beleidigung, als hätte
sich der Ehrenrath principiell nur dem Eindringen in spiritistische
Dinge entziehen wollen/' wohl aber „sei es
eine Beleidigung, wenn der Sinn ihrer öffentlichen
Erklärung der gewesen ist, dass der Ehrenrath sich absichtlich
der Untersuchung nach dieser Richtung hin
verschlossen habe, die nach der Ansicht der Angeklagten
dahin führen musste, dass ihr Standpunkt als der richtige
und correcte anerkannt wurde,44 erscheint uns dem Gesetze
nach und dem eigenen erklärten Verhalten des hohen
Schwurgerichtshofes gegenüber dem Spiritismus nach doch
wohl nicht haltbar. Dem Gesetze nach nicht, weil die Angeklagten
in Verteidigung ihrer eigenen Interessen sich
befanden und deshalb auch mit einer solchem begründeten
Annahme durchaus nicht beleidigen konnten, da ja dem
Ehrenrathe befohlen war, nur Zeugen in einem gewissen
Rahmen unter möglichstem Ausschluss des Spiritismus zu
vernehmen, was die Herren des Ehrenraths zunächst als
Amtsgeheimniss verschweigen mussten und die Herren
v. Ehrhardt und Genossen nicht wissen konnten, und weil
jener andere Sinn ihrer Behauptung vom Ehrenrath selbst und
vom Schwurgerichtshofe im Urtheile als Factum constatirt
ist. Der Ehrenrath hat nach Aussage des Gerichtshofes
wirklich sich mit dieser Sache nicht befasst, und das hohe
Schwurgericht steht erklärtermaassen auf demselben Standpunkte
, dass die Bestrebungen des Spiritismus nichtig
seien! Kann das nun eine Beleidigung sein, wenn dieser
Standpunkt beiden Behörden als Ausgangspunkt ihrer Urtheile
zur eigenen Selbstvertheidigung vorgehalten wird?
Dieserhalb eine so schwere Bestrafung des v. Erhardt eintreten
zu lassen, erscheint uns hiernach doch gewagt und dürfte
unseres Erachtens vielleicht vor dem obersten Reichsgerichtshofe
eine Remedur erfahren. Gegen die Verurtheilungen
auf Grund Ohrfeigen schlagender Beleidigungen und Herausforderungen
zum Duell ist selbstverständlich nicht zu pole-
misiren, wohl aber nach einer anderen Erledigung der Kernfrage
doch eine bedeutend mildere Auffassung und Ver-
urtheilung zu gewärtigen. Denn aus der Behandlung der
Kernfrage hat sich immer eine schlimmere Folge nach der
andern mit zwingender Notwendigkeit ergeben.
Doch lassen wir jetzt den Verlauf des Processes für
sich selbst sprechen, indem wir die Verhandlungen nach
verschiedenen Zeitungsberichten, die wir gegenseitig in [Eckklammern
] zu ergänzen suchen werden, unter Zugrundelegung
des Berichtes des Düsseldorfer „General-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1896/0588