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602 Psychische Studien. XXIIL Jahrg. 12. Heft. (December 1896.)
Düsseldorfer Strafkammer schleudern gewaltige Strahlenbüschel
des Lichtes in die Finsterniss veralteter Vorurtheile
und unchristlicher Duellanschauungen hinein. Das ürtheil
des Gerichts verfehmt ganz offen in ideeller und realer Con-
currenz mit einem militärischen Ehrengerichtshofe den experimentellen
Spiritismus dem doch der uralte Glaube einer jeden
Religion an das Geistige zu Grunde liegt, indem es ihn
a priori in seinen Bestrebungen für nichtig erklärt und von
jeder Zeugnissberechtigung im öffentlichen Rechte aus«
zuschliessen sucht. Wo existirt ein solcher Paragraph in
irgend einem Landes- oder Reichsgesetzbuche? Selbst ein
Mörder hat doch das Recht, vor seiner Verurtheilung zum
Tode gehört zu werden. Und dieses Grundrecht eines
jeden Menschen und Deutschen ist durch dieses richterliche
Urtheil dem Spiritismus und seinen Millionen Anhängern
einfach abgesprochen worden.
Sind wir denn nun wirklich in einem christlichen Staate
so weit gekommen, dass die ruhige Forschung nach geistigen
Thatsachen vermittelst der Mediumschaft selbst von Richtern
in dieser Weise perhorrescirt werden darf? Dass nicht aus
diesem Spiritismus selbst entsprungene, wohl aber aus offener
Nichtachtung desselben hervorgegangene üble Verfälschungen
desselben von Seiten Einzelner für kein Vergehen gegen den
heiligen Geist der Wahrheit und Redlichkeit erklärt werden
dürfen? Dass die Uebelthäter gegen denselben frei ausgehen
oder höchst geringen Bagatell - Straf en unterliegen,
während die ehrlichen Anhänger des Spiritismus zu den
schwersten Strafen verurtheilt werden, bloss weil sie die
Consequenzen ihrer Ueberzeugung voll gezogen haben und
diese redlich vertheidigen wollten? Wo bleibt da die gesetzlich
garantirte Gleichberechtigung und Gewissensfreiheit
aller Staatsbürger? Wir können nicht glauben, dass es bei
diesem Urtheil sein Bewenden haben sollte, sondern hegen
die bestimmte Erwartung, dass ein höherer Rechtsspruch
der Göttin Jusütia hier Remedur eintreten lassen
werde. Denn wenn sie selbst dazu schweigen sollte, dann
würden die Buchstaben dieses Urtheils durch alle folgenden
Zeiten in den Annalen des Spiritismus wie die Steine des
Evangeliums dagegen aufschreien! Wir appelliren deshalb
auch hier von dem über unseren Spiritismus schlecht
unterrichteten Papst an den besser zu unterrichtenden.
Nicht wir allein sind dieser Ansicht, sondern überall
regt sich die öffentliche Meinung und die bessere Presse
für die Gerechtigkeit unserer Sache und für ihre juridische
Existenzberechtigung. Sind wir denn unwürdige Narren,
welche nichts gelten, oder Staatsverbrecher, als welche die
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