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644 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 12. Heft. (December 189G.)
Nie und nimmer kann hier Misshandlung vorliegen, es
handelt sieh nur um eine thätliche Beleidigung. Wie wohlwollend
hat Herr Landesrath Schmidt die Sache angefasst;
ich bin überzeugt, dass, wenn er für seine Person etwas
zum Schutze Hecker\ thun könnte, er keinen Augenblick anstehen
würde, es zu thun." —
Vertheidiger Rechtsanwalt Lande: — „Es liegt keine
Beleidigung des Ehrenraths als einer Behörde vor, denn
der Ehrenrath ist keine Behörde. Der Ehrenrath ist nichts
Selbstständiges, er ist nur ein Organ des Oommandos, also
keine Behörde." —
Vorsitzender: — „Ich mache den Angeklagten
Wessel darauf aufmerksam, dass er also eventuell nicht
wegen Beleidigung des Ehrenraths, sondern wegen Beleidigung
der Mitglieder des Ehrenraths bestraft werden kann."
Vertheidiger Lande: — „Das dürfte auch nicht angängig
sein, denn es liegt kein Strafantrag der Mitglieder des
Ehrenraths vor. Nach dem Stand unserer Gesetzgebung
kann von einer Beleidigung des Ehrenraths überhaupt, wie
gesagt, keine Rede sein, und muss deshalb das Verfahren
wegen Beleidigung des Ehrenraths eingestellt werden.
Ferner hat der Strafantrag Grevel nur Giftigkeit, wenn Sie
diesen Herrn als Mitglied der bewaffneten Macht ansehen
wollen. Greve ist aber Reserveofficier, und nach Lage unserer
Gesetzgebung ist ein solcher nicht ein Mitglied der bewaffneten
Macht, sondern nur dann, wenn er unter die
Waffen gerufen ist. Greve war also nicht berechtigt, einen
Straiantrag als Vorsitzender des Ehrenraths zu stellen, sein
Strafantrag ist unzureichend, und ist deshalb auch in diesem
Falle das Strafverfahren einzustellen." — Im weiteren Verlauf
seiner Ausführungen wendet sich Redner mit grösster
Entschiedenheit gegen das Duell, das ein Hohn auf Moral,
Vernunft und Religion sei. Sein Client habe in Wahrung 9
berechtigter Interessen, in Wahrung des Rechtes gehandelt.
Nach Schluss der Ausführungen des Vertheidigers
Lande bemerkt Staatsanwalt Dr. Ziegener: — „Ich will
weiter nichts bemerken, es ist nicht meine Gewohnheit, für
das Publikum zu sprechen." —
Rechtsanwalt Lande: — „Ich muss entschieden die
Insinuation des Herrn Staatsanwalts, ich spräche für das
Publikum, zurückweisen. Ich habe zu den Richtern gesprochen
, und habe die Ueberzeugung, dass der hohe
Gerichtshof meinen rechtlichen und wohlbegründeten Ausführungen
sich anschliessen wird." —
Im Publikum werden lebhafte Bravorufe laut.
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