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Kniepf: Verhängniss — nicht Strafe!
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zugleich beim Antares, und das ist immer ein böses Ende.
Erzherzog Johann hatte Sonne und Jupiter beim Antares,
den }) beim Algol, Saturn ebenfalls nicht weit vom Monde
— nach astrologischer Erfahrung sehr böse Constellationen.
Die Astrologie ist noch eine in den Kinderschuhen
steckende Wissenschaft, nicht etwa eine überlebte, wofür sie
heute bekanntlich angesehen wird. Ich behalte mir vor,
darüber ein ander Mal ausführlicher zu schreiben,*) Bemerken
will ich nur, dass auf diesem Gebiete aber auch viel
Willkür, Irrthum und Oberflächlichkeit herrscht, wodurch
die zukunftsreichste aller Wissenschaften neuerdings ganz
in Vergessenheit gerathen ist. Sie lehrt aber gleich den
Handlinien (in denen sich die Einflüsse der Gestirne sogar
wiederspiegeln), dass der Mensch ganz bestimmten Geschicken
unterworfen ist, die sich mit denen Anderer sogar verketten
können, und auch die Vererbung drückt sich in der Stunde
der Geburt und in den Gestirnen aus: — das ist ganz
unverkennbar. — Unser „freier Wille" und Gott Zufall sind
Zubehör des unabwendbaren Fatums und seine Diener,
— unser Geist täuscht uns nur die schöne Illusion vor, als
wäre der Wille der Gebieter. Gewiss, er existirt, der freie
Wille, aber wir sind dabei Einflössen unsichtbarer, feiner
Art unterworfen, für die nur Hochsensitive eine Empfindung
haben, und auch dies nur in meist unbestimmter Weise und
in hellsehenden, somnambulen Zuständen.
Die neuere, psycho-physische Wissenschaft, die Psychiatrie
und kriminalistische Theorie muss ja ebenfalls zugeben
, dass das Individuum gewissen angeborenen Anlagen
in seinem Handeln folgt. Der Streit, ob der Wille frei
oder unfrei sei, ist so alt wie die Philosophie; Kant suchte
denselben rein dialektisch aufzuheben, womit aber nichts
gewonnen war. Es ist nämlich Beides in sich ergänzender
Weise richtig! Bei aller Willensfreiheit
kann der Einzelne nicht aus dem Zwange seines Wesens
heraus. Ebenso reagirt Jeder nach seiner angeborenen
N atur auf die Gestirneinflüsse: — noch Johannes Kepler war
davon und von der Wirkung dieser Einflüsse überzeugt,
suchte jedoch die Astrologie astronomisch genauer zu refor-
miren. Desgleichen beginnt Goethe seine Biographie „Aus
meinem Leben" mit seinem Horoskop. Aber diese
Wissenschaft ist auch physisch und physikalisch vollkommen
*) Auch der Sekretär der Redaetion wird im neuen Jahrgange
1897 einen diesen sekundireuden Artikel, betitelt: — „Die Nativität
oder das Horoskop. Nach einer historischen Schlesier-Sage besprochen",
— mit verwandten Fällen seinen dieses Fach studirenden geehrten
Lesern vorlegen.
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