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674 Psychische Studien. XXIII. Jahrg. 12. Heft. (December 1896.)
„Dieser Aeusserung entsprach auch der Erfolg; er
wurde wirklich Schultheiss, wohei der Umstand noch
besonders merkwürdig war, dass, obgleich sein Repräsentant
bei der Kugelung an der dritten und letzten Stelle zu ziehen
hatte, die zwei silbernen Kugeln zuerst herauskamen, und
also die goldene für ihn auf dem Grunde des Beutels
liegen blieb.
„Völlig prosaisch, einfach und ohne Spur von Phantastischem
oder Wundersamem waren auch die übrigen der
uns bekannt gewordenen Träume. Ferner ei innere ich mich,
dass ich als Knabe unter seinen Büchern und Schreibkalendern
gestöbert und darin unter anderem auf Gärtnerei
bezügliche Anmerkungen aufgezeichnet gefunden: —
„'Heute Nacht kam N. N. zu mir und sagte . . .* Name
und Offenbarung waren in Chiffern geschrieben. Oder es
stand auf gleiche Weise: — 'Heute Nacht sah ich . . —
Das übrige war wieder in Chiffern,. bis auf die Verbindungsund
andere Worte, aus denen sich nichts abnehmen Hess.
„Bemerkenswerth bleibt es hierbei, dass Personen, welche
sonst keine Spur von Ahnungsvermögen zeigten, in seiner
Sphäre für den Augenblick die Fähigkeit erlangten, dass
sie von gewissen gleichzeitigen, obwohl in der Entfernung
vorgehenden Krankheits- oder Todesereignissen durch sinnliche
Wahrzeichen eine Vorempfindung hatten." —
Wir finden in dem die Wahl zum Schöffen bezüglichen
Traume eine treffende Uebereinstimmung mit den Angaben
des Professors; denn wie Goethes Grossvater auf den Traum
hin alle Maassregeln auf das bestimmteste traf, so ordnete
auch die Frau Professor alles zum Empfange ihres Gemahls
Erforderliche so sicher und bestimmt an, als ob es sich um
eine feststehende Thatsache und nicht um ein Traumbild
handelte.
Einen auf das genaueste eingetroffenen Wahr traum,
an welchen meine Angehörigen nur mit Schaudern zurückdenken
, hatte meine Grossmutter im Jahre 1848. Mein
Grossvater hatte in der Nähe von Kalthox in Westphalen
ein mitten im Walde gelegenes Gut gekauft, an welchem
er grosse bauliche Veränderungen vornehmen Hess. Wegen
des Baues fuhr er eines Sonnabends nach Hohenlimburg
und kehrte erst spät Nachts mit einer Extrapost zurück.
Als er meiner Grossmutter bei der Rückkehr klopfte, stiess
diese einen Schrei aus und öffnete erst, als sie ganz sicher
war, dass ihr Gatte nur mit dem Postillon draussen stand.
Auf die erstaunte Frage der beiden Männer erzählte sie
sodann, dass sie einen äusserst schweren und natürlichen
Traum gehabt. Räuber hätten mit einem vor dem Hause
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