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6 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1897.)
Thiere, wobei man sich vorsehen muss, dass der herausfahrende
„Ruaeh" (— Hauch, Athem, Seele, Geist) des
Thieres dem Schächter nicht die Hand verbrenne. — Als
mir vor wenig Wochen einer meiner Hunde erkrankte, wurde
ich zu einem jüdischen Metzger geschickt, der sich auch viel
mit Behandlung kranker Thiere beschäftigt. Dieser erzählte
mir, nebst vielen magischen Thaten eines in den 1850er
Jahren lebenden Kabbi, (den sogar der regierende Landesfürst
aufgesucht haben soll,) Folgendes: —
Sein Vater, der auch Metzger gewesen war, hatte einst
eine gut milchende Kuh, vor deren Milchreichthum er sich
zuvor überzeugt hatte, von einer Bäuerin gekauft und weiter
verkauft. Schon des anderen Tages ward ihm die Nachricht,
dass die Kuh fast gar keine Milch, sondern nur Blut gebe.
Nach längerem Hin- und Her-Verhandeln mit der Bäuerin,
von welcher er die Kub gekauft hatte, greift er zu folgendem
Hilfsmittel: — Die wenigen Tropfen der Milch, welche die
Kuh gab, wurden in einen Topf gethan, über das Feuer
des Heerdes gestellt und fortwährend mit Gabel und Messer
geschlagen. Als er am nächsten Morgen in das Haus der
Bäuerin kam, wollte man ihm zuerst den Eintritt wehren;
endlich sah er aber die „Hexe" mit verbundenem Gesicht
zu Bette liegen. Die Manipulation hatte gewirkt. Durch
Repercussion hatten sich die Stiche von dem der Milch
anhaftenden Agens auf die Entsenderin desselben übertragen.
Von dem Tage an gab die Kuh wieder Milch wie zuvor.
Der Jude nennt derlei ,,kischuph machen*' oder „mach-
scheipho,*) während die Zauberin oder Hexe ,,niekäschepha"
heisst, welches Wort, nach dem Assyriologen Zimmern, von
dem babylonischen „mukaschiptu" herkommt, wie denn
überhaupt das Alte Testament viele zauberische Begriffe
aus dem Occultismus der Chaldäer, Meder und Babylonier,
sowie dem Zoroastrismus entnommen hat.
Schon aus diesen wenigen Andeutungen wird man
ersehen, wie Unrecht C. Müller hat, wenn er meint (S. 51):
— „Am meisten frei von Aberglauben ist das israelitische
Volk." — Gerade das Gegentheil ist wahr. — Wie ich
schon vorhin erwähnte, geht aus der ganzen Schreibweise
Müller'* geradezu sein fanatischer Hass gegen Alle die
hervor, welche an die Wirklickkeit occulter Vorgänge
glauben. Nun, man kann ja über derlei Dinge verschiedener
*) Aus zwei Schriften aus den Jahren 1601 und 1615, von Juden
Terfasst, geht hervor, dass die Juden auch das „Tischaufgehen" kannten
und übten; sie riefen dabei Adonai und Elementargeister an. Siehe
Kiesewetter \ — „UeheiinWissenschaften" 847 ff.
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