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82 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1897.)
Krankheitsformen und Seuchen erklärt. Auch die wahnwitzigen
Attentate der Anarchisten, welche der bestehenden
Gesellschaft, theilweise aus missverstandener und gekränkter
Liebe, Hass und Tod geschworen haben, erscheinen ihm als
Zeugen dieser sittlichen Pest, welche die besseren und
höheren Geister allmählich zwingen, die Erdnähe zu meiden.
Die eigenthümliche Verbindung von rücksichtsloser Härte
und scheinbarer Grausamkeit mit liebevollem Gefühl und
Begeisterung für die höchsten Ideale, ja sogar für Religion,
wie sie sich schon bei den früheren Revolutionären, einem
Maraty einem Mazzini, einem Garibaldi zeigte, erklärt sich
Verfasser daraus, dass dieselben das ßewusstsein einer
Mission haben, die sie zu Geissein Gottes an einer entarteten
Gesellschaft und zu Rächern des an früheren
Generationen begangenen Unrechtes mache. Die von der
„Wissenschaft" angeblich unterstützte Lehre, dass mit dem
Tode alles aus sei, beseitige dann die letzten Gewissens-
scrupel und bringe den Mann aus dem Volk zu der Ueber-
zeugung: — „Wenn ich nur ein Thier bin und meine
Handlungen nicht zu verantworten habe, warum sollte ich
meinen bestialischen Instincten nicht folgen, warum sollte
ich mich nicht an der Gesellschaft für das mir zugefügte
Unrecht rächen?" — Um das göttliche Licht des Geistes
auf Erden wieder leuchten zu lassen, müsse man seine Seele
mit der Volksseele vermischen und im täglichen Umgange
mit dem Volk den Kampf gegen Unwissenheit und lügnerische
Conventionen aufnehmen. „Seid ihr, arme verrückte Anarchisten
,4* so ruft der Verfasser zum Schluss aus, „die ihr
euch die Vorhut des wahren Socialismus nennt, der Mithilfe
und der Unterstützung der höheren Geister würdig? Eure
verabscheuungswürdigen Attentate sagen: — Nein! Oder
ihr, herrschende Klassen, hartherzige Egoisten des Bürgerstandes
, die ihr Leib und Seele dem goldenen Kalb und
der Befriedigung eurer sinnlichen Begierden weiht? .Nein,
nein, ihr selbst wisst es wohl!a Was sagen uns
die aus dem Jenseits zurückkommenden Geister? „Thut
nicht andern, was ihr nicht wollt, dass es euch geschehe;
thut andern das, was ahr selbst von ihnen zu erfahren
wünschet! Ihr alle seid Brüderla — Diese Grundlehre der
grössten Religionsstifter Jesus und £akya- Muni (Buddha)
bleibt ewig wahr. Wenn man aber will, dass sie auch
verwirklicht werde, so muss man wissenschaftlich von der
Existenz der Seele und ihrem Fortleben überzeugt sein.
Mit dem Glauben ist so viel Missbrauch getrieben worden,
dass die Gläubigen selbst an den von der Vergangenheit
tiberlieferten Dogmen zu zweifeln beginnen. Aber der Tag,
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